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0128 - Die Hexe aus dem Fluß

0128 - Die Hexe aus dem Fluß

Titel: 0128 - Die Hexe aus dem Fluß
Autoren: Werner Kurt Giesa
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anstierten! Und als er die Hand ausstreckte, um sie zärtlich streichelnd zu berühren, da wich sie fauchend wie ein Tier noch weiter vor ihm zurück!
    »Tonia«, murmelte er leise. »Was ist denn geschehen? Erkennst du mich nicht mehr? Ich bin’s, Mario! Was war mit dir los?«
    Wieder versuchte er, sie zu berühren. Sie schrie, und seine Hand zuckte wieder zurück. Kopfschüttelnd trat er zur Tür.
    Das konnte doch nicht sein, seine sanfte, liebe Tonia, das anschmiegsame Kätzchen, das er so liebte! Was war geschehen? Warum kannte sie ihn nicht mehr? Und ihre Augen! Tot, stumpf, seelenlos!
    »Bleib ganz ruhig«, flüsterte er und verließ den Schlafraum. Das Grauen hielt ihn gepackt und eine furchtbare Angst um seine Frau. Er verließ sein Haus und begann zu laufen. Einer der Nachbarn hatte Telefon. Er mußte den Dottore rufen. Tonia war krank, entsetzlich krank. Eine andere Möglichkeit bestand nicht.
    Aber wie konnte sie verschwinden und wieder auftauchen?
    Darauf wußte Mario Manciano keine Antwort…
    ***
    Sir Francis Hedgeson brauchte keinen Arzt. Er war kerngesund und guter Hoffnung, diesen gesunden Zustand bis zu seinem Ableben beizubehalten, an das offensichtlich noch gar nicht zu denken war.
    Dr. Vincenco Glianti befand sich trotzdem in The great Hedgesons Prunkvilla, das dieser schlicht und einfach als »sein Landhaus« bezeichnete. Zwei Kilometer südlich der kleinen Stadt Bardolino gelegen, bot sich nach der einen Seite der Blick auf den Gardasee, auf der anderen das mächtige Panorama der Berge. Glianti hielt sich öfters bei Hedgeson auf, trank dessen Vino und versuchte verzweifelt, ihn im Schachspiel zu besiegen. Doch der Alte hatte sich ihm bisher stets überlegen gezeigt.
    Glianti unterhielt zwar eine Praxis in Bardolino, war dort aber nur selten anzutreffen. Meistens reiste er durch die naheliegenden Ortschaften, in denen es sich herumgesprochen hatte, in welchen Häusern der Dottore um welche Zeit anzutreffen war, so daß die Menschen, wenn sie ihn benötigten, einfach dort aufkreuzten. Lag etwas Dringendes in seiner Praxis an, war er entweder über Sprechfunk in seinem Wagen oder über die Telefone seiner Gastgeber zu erreichen. Auf diese Weise konnte er über seine Praxis auch »ferngeleitet« werden, wenn er irgendwo benötigt wurde. Das System war zwar nicht hundertprozentig perfekt, entsprach aber Gliantis Lebensart und hatte sich in der Gegend als durchaus praktizierbar herausgestellt.
    »Sie sind heute aber gar nicht in Form, mein lieber Dottore«, hielt ihm gerade der englische Lord vor, schob einen Bauern vor und schmunzelte, weil er wußte, daß nach spätestens drei Zügen Gliantis Dame fallen würde - egal, welche Figuren der Arzt bewegte.
    Vincenco Glianti lächelte zurück, übersah das Spielfeld und leitete einen vorsichtigen Rückzug ein. »Es liegt am Wetter, Sir Francis«, erwiderte er. »Man wird eben alt. Aber Ihr Wein ist vorzüglich.«
    »Danke«, knurrte der Alte. »Früher sagten Sie: Sehr vorzüglich. Dafür sind Sie Ihre Dame jetzt schon los.« Er schlug die Figur, kicherte hinterhältig und brummte: »Schach, Dottore!«
    Der Arzt sah erschrocken die neue Figurenkonstellation an. »Mama mia«, hauchte er. »Das ist ja fürchterlich!«
    Er nahm einen erneuten Schluck aus dem Weinglas. Dabei sah er die lautlose und vorsichtige Annäherung des Butlers.
    Morris Dennessey hüstelte. The great Hedgeson sah unwillig auf. »Was ist, James? Wie oft soll ich dir noch sagen, daß ich beim Denken nicht gestört werden will!«
    »Sir, Sie sehen mich untröstlich, daß ich mich über Ihre Anweisung hinwegzusetzen genötigt sah«, log Dennessey, »aber es handelt sich um ein dringendes und unaufschiebbares Ferngespräch für den Herrn Doktor.« Er sah jetzt Glianti an. »Dottore, Ihre Praxis ruft.«
    Ächzend erhob Glianti sich. Er war jetzt etwas über fünfzig Jahre alt, wohlbeleibt und schnurrbärtig. Ein kurzer Hustenanfall begleitete das Aufstehen; Glianti war seit langen Jahren notorischer Zigarrenraucher. »Ich komme ja schon, ein alter Mann ist kein D-Zug«, schnaufte er und rollte in Richtung des Telefons.
    Hedgeson lehnte sich zurück, stieß sich an der Tischkante ab und schwang mit dem gesamten Sessel zurück. Glianti drehte ihm beim Telefonieren den Rücken zu. Trotzdem entging dem Lord nicht, daß der Arzt plötzlich heftig nach Luft schnappte.
    »Si, ich eile«, murmelte er schließlich und legte auf. »Mein lieber Lord, wir müssen unsere Schachpartie leider
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