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0128 - Die Hexe aus dem Fluß

0128 - Die Hexe aus dem Fluß

Titel: 0128 - Die Hexe aus dem Fluß
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Schloß neu geölt und damit die beim Öffnen und Schließen der Tür entstehenden Geräusche erheblich dämpfen können. Für wie lange? Mario zuckte müde grinsend mit den Schultern. Im Grunde war es ihm egal, ob die Türen quietschten und knarrten, nur regte sich Tonia immer so fürchterlich darüber auf und hatte ihm so lange zugesetzt, bis er die Ölkanne aus dem Keller geholt hatte.
    Vor dem Haus, besser der Hütte, blieb Mario Manciano stehen, drehte sich in nördlicher Richtung und sah auf den Lago di Garda hinaus. Er liebte den See und diese Landschaft. Das riesige Massiv der Alpen im Hintergrund, davor das Wasser des kristallklaren Gardasees, das im Sonnenlicht leuchtete…
    Schon oft hatte Tonia ihm vorgehalten, daß er als Gastarbeiter bei den Tedesci viel, viel mehr verdienen könne als hier. Mario hatte stets mit den Schultern gezuckt, eine seiner Lieblingsgesten, und nicht darauf reagiert. Er wollte nicht. Wollte Peschiera di Garda nicht verlassen, das kleine Dorf mit etwa sechstausend Einwohnern am Südzipfel des Gardasees, dort, wo der Mincio beginnt und das Wasser des Sees in den Po trägt, um irgendwann in die Adria zu gelangen.
    Mario verdiente sich seinen Lebensunterhalt damit, die aus Brescia und Verona kommenden Touristen auf dem See spazierenzufahren, zu fischen oder sonstigen Gelegenheitsarbeiten nachzugehen. Das reichte, um Tonia und sich gerade über Wasser zu halten. Mario war Romantiker; der Anblick des Sees, die Landschaft, die ganze Umgebung entschädigten ihn für das unsichere Einkommen. Er war mit sich und der Welt zufrieden. Tonia weniger, aber sie zeigte es nur selten, und wenn, dann waren die Möglichkeiten, in Deutschland als Gastarbeiter unterzukommen, das einseitige Gesprächsthema.
    Mario Manciano sah kurz in die aufgehende Sonne. Der leichte Morgennebel über dem See zerflatterte, löste sich rasch auf. Mario setzte sich in Bewegung, folgte dem Weg, der zum Seeufer führte, und erreichte nach ein paar Minuten das Boot, das an dem kleinen Landungssteg lag. Es war flachbordig und konnte daher ziemlich nahe ans Ufer heran. Mario konnte pro Fahrt, die jeweils eine halbe Stunde dauerte, fünfzehn Fahrgäste an Bord nehmen. Im Heck des Bootes saßen zwei PS-starke Dieselmotoren der Firma Daimler-Benz.
    Der Italiener blieb abermals stehen. Seine Blicke wanderten über das Boot, das sein ganzer Stolz war. Die »Angela« war modern und teuer gewesen, doch inzwischen hatte er den Kredit fast abzahlen können. Die Einnahmen in den letzten Monaten waren nicht schlecht gewesen. Wenn es im nächsten Jahr ebenso gut lief, konnte er sich vielleicht einen Fiat kaufen. Dann konnten Tonia und er auch öfter mal nach Verona fahren, mußten nicht immer die Nachbarn fragen, ob sie sie mitnahmen. Denn für ein Fahrrad waren zwanzig Kilometer auch noch eine erhebliche Strecke, wenn man mit Einkaufsnetzen behängt fuhr. Tonia dachte wirtschaftlich; in Verona konnte sie preiswerter einkaufen als in Peschiera.
    Mario lauschte dem leisen Plätschern der Wellen, die gegen die Bordwand der »Angela« klatschten. Er überlegte. Es war Mittwoch. Viele Touristen würden heute wohl nicht kommen. Es konnte sich lohnen, am späten Nachmittag auf Fischtour zu gehen und die Netze auszuwerfen. Er würde Pilo Bescheid sagen, dem Nachbarsjungen. Dieser half ihm öfters bei der Arbeit; sie waren ein eingespieltes Team.
    Mario verzichtete darauf, den Anlegesteg zu benutzen. Er lief die zwei Meter durch das flache Wasser und kletterte an der kleinen Außenleiter am Boot hoch. Als er zur »Brücke« ging, hinterließ er eine nasse Spur auf dem Kunststoffbelag.
    Er schob den Zündschlüssel ins Schloß und schaltete die Elektrik ein. Die Instrumente sprachen an. Die Tanks waren noch zur Hälfte gefüllt. Er würde erst übermorgen wieder nachtanken müssen. Befriedigt nickte er, schaltete die Elektrik wieder ab und zog den Schlüssel ab.
    Diesmal nahm er doch den Steg und kehrte dann zu seiner Behausung zurück, ein kleines Holzhaus mit drei Zimmern am Rand des Dorfes. Sekundenlang glaubte er, eine Bewegung festgestellt zu haben, dann aber erkannte er, daß dort nichts war. Er mußte sich wohl getäuscht haben. Außerdem - wer sollte schon morgens früh um sechs Uhr an seine Haustür klopfen?
    Aber ein ungutes Gefühl beschlich ihn doch. In letzter Zeit trieb sich hier allerlei lichtscheues Gesindel herum. Vor ein paar Tagen erst hatte er zwei Burschen verprügelt, die sich an seiner »Angela« zu schaffen gemacht
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