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0128 - Der Seelenwald

0128 - Der Seelenwald

Titel: 0128 - Der Seelenwald
Autoren: Martin Eisele
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reckte, als beabsichtige er, die Schwärze aus den Höhen des Waldes herunterzuzerren. Die schwarze Kutte bauschte sich im Wind.
    Und sie sah sein Gesicht! Ein pockennarbiges, hageres Gesicht – ohne erkennbare Mundöffnung, ohne Nase. In der oberen Hälfte saßen schmale, wild irrlichternde Raubtieraugen, die Blitze zu versprühen schienen.
    Noch nie zuvor hatte sie den Gesichtslosen gesehen, aber sie wußte, daß er der Dämonenpriester des namenlosen Dorfes war.
    Jener Geheimnisvolle, der im Namen Asmodinas ihren Tod auf dem schwarzen Altar befohlen hatte.
    Und die Hände gehorchten dem Befehl dieses Wesens!
    Widerwillig, zögernd lösten sie ihren fürchterlichen Zugriff, zogen sich zurück. Ihre Bewegungen ließen das taufeuchte Gras rascheln.
    Jane wälzte sich zur Seite und übergab sich würgend.
    Das Wispern und Raunen ringsum nahm an Intensität zu. Ärger schwang in den unwirklichen, gespenstischen Lauten.
    Der Boden, auf dem sie lag, knisterte förmlich, bewegte sich rhythmisch. Von irgendwoher wehte ein fürchterliches Heulen.
    Enttäuschung und Wut schwang darin. Der Wind wurde stärker, fuhr pfeifend und raschelnd in das Unterholz.
    »Das Projekt darf nicht gefährdet werden!« sagte der Unheimliche jetzt mit fester, beschwörend klingender Stimme. »Du weißt es! Du beschleunigst den Vorgang nicht, wenn du dir deine Nahrung selbst beschaffst. Im Gegenteil…«
    Und der Wald schien zu verstehen ! Der Wind verebbte. Das Rauschen der Baumkronen wurde leiser, sanfter – versöhnlicher.
    Der Dämonenpriester lachte zufrieden. Dann beugte er sich über Jane. Hart packte er sie an der Schulter und riß sie herum.
    »Hoch mit dir, Elende!« herrschte er sie an.
    Jane preßte ihre Linke auf den Mund. Noch immer würgte und keuchte sie. Ihr Hals war dick angeschwollen. Nur mühsam bekam sie Luft.
    Sie starrte in die gnadenlosen Raubtieraugen. Sie wollte nicht verstehen, daß alles umsonst gewesen war. Die Flucht durch die Nacht. Die Anstrengungen. Die wilde Hoffnung.
    Peter! Wo war Peter McCrady? War er entkommen? Gehetzt blickte sie sich um.
    Der Gesichtslose spannte sich an. »Es ist sinnlos«, grollte er. Seine Stimme wirkte verzerrt. Irgendwie unwirklich.
    Hinter Murthoom wuchsen weitere Schatten empor. Überall tauchten sie jetzt auf. Überall glühten rote Augenpaare in der samtblauen Dunkelheit. Es war aussichtslos.
    Aber Peter mochte es vielleicht schaffen. Er würde Hilfe holen…
    Heftig atmend, halb aufgerichtet, kauerte sie am Boden. Der Priester riß sie vollends hoch. Sein Gesicht war einen Augenblick ganz dicht vor ihr.
    Ein widerlicher Gestank strahlte davon aus.
    Jane ertrug es nicht. Sie wandte sich ab.
    Murthoom lachte. »Du wirst dich an den Anblick gewöhnen müssen. Ich werde es sein, der dich tötet…«
    Jane sagte nichts, und sie wehrte sich nicht.
    Die anderen Unheimlichen kamen heran und hoben sie hoch.
    Bleischwere Müdigkeit überfiel Jane. Die Schwärze des Weltraums breitete sich in ihr aus.
    »Du wirst auf dem schwarzen Altar sterben, so, wie es vorher bestimmt und notwendig ist. Das große Projekt steht kurz vor der Vollendung. Deine Lebensenergie, deine Seele werden dazu beitragen«, sagte der Dämonenpriester. Er sprach laut und betonte jedes Wort. Seine Stimme wurde direkt in Janes Kopf laut. Triumphierend. Grausam.
    »Niemand vermag uns zu entkommen. Niemand, den wir auserwählt haben. Unser Liebling, der Wald, sorgt dafür. Ganz in seinem eigenen Interesse. Er ist hungrig. Sehr hungrig…« Gelächter brandete in Jane Collins Geist.
    Sie versuchte, sich davor zu verschließen. Aber sie war zu schwach.
    Sie fühlte sich davongetragen.
    Die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwammen.
    Schritte. Stimmen. Flüsternde, gehässige Stimmen, die sich zu einer grauenhaften Melodie vereinten.
    Der Seelenwald zürnte immer noch. Die Natur ringsum war in hellem Aufruhr.
    Das waren ihre letzten bewußten Wahrnehmungen.
    Sie verlor die Besinnung.
    ***
    Je näher ich der Ruine kam, desto vorsichtiger wurde ich. Vielleicht hatten sie Wachen aufgestellt.
    Es sah allerdings nicht danach aus.
    Den Regen beachtete ich schon gar nicht mehr. Hoffentlich wuchsen mir keine Kiemen.
    Ich erreichte den Eingang. Muffige, feucht-kalte Luft schlug mir entgegen. Das typische Flair eines schon lange leerstehenden Gebäudes. Ich preßte mich gegen die rauhe Wand und wartete. Eine Sekunde verging. Zwei.
    Nichts regte sich in der Düsternis neben mir.
    Da wagte ich es. Ich huschte hinein. Warf mich
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