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0118 - Der Drachengott von Bali

0118 - Der Drachengott von Bali

Titel: 0118 - Der Drachengott von Bali
Autoren: Franc Helgath
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Sie bewachten Zamorra wie eine Hundemeute, die das Reh schon verbellt hat.
    »Wer bist du wirklich?« fragte Sokor nach einer endlos scheinenden Pause, in der er jede Pore von Zamorras Gesicht mit seinen Blicken abzutasten schien.
    Der Parapsychologe ließ sich mit seiner Erwiderung nicht weniger lange Zeit.
    »Auch ein Medizinmann«, meinte er schließlich.
    »Ein Arzt?«
    »Nein. Ein Magier. So wie du…«
    Das war ein Brocken, den Sokor erst einmal verdauen mußte.
    »Und was wolltest du dann hier?«
    »Lernen«, antwortete Zamorra wahrheitsgemäß. »Ich möchte von euch lernen.«
    Sokors Wutausbruch kam so unerwartet wie ein Blitz aus einem heiteren Sommerhimmel.
    »Ist es denn noch nicht genug, was ihr uns schon geraubt habt?« brüllte er los. »Unser Land, unsere Gesundheit, alles, was unser Leben früher schön und angenehm gemacht hat? Wollt ihr jetzt auch noch unseren Zauber? Wollt ihr uns auch noch unsere Götter stehlen?«
    Mit einer derartigen Reaktion hatte Zamorra nicht gerechnet gehabt, hatte er nicht rechnen können.
    Sokor dachte nicht so primitiv, wie er aussah. Sein ganzes Auftreten bewies ein gewisses Maß an Bildung, die jedoch zwangsläufig nur Halbbildung gewesen sein konnte. Er war mit einigen Ideen in den Dschungel zurückgekehrt und setzte nun seine geheimnisvollen Kräfte ein, diesen seinen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.
    Zamorra war auf ein bisher unbekanntes Phänomen gestoßen.
    Alle bisherigen Äußerungen Sokors ließen keinen anderen Schluß zu, als daß er eine Art Guerrillero war, der frei von allen politisch verbrämten Ideologien einen Weg suchte, seinem Volk eine verlorene Freiheit zurückzugeben, ohne dabei zu wissen, daß er allein am Lauf der Dinge nichts ändern konnte. Noch nirgendwo auf der Welt war es gelungen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Und dort wo man es versucht hatte, hatten diese Versuche in einem Fiasko geendet. Träume waren in Strömen von Blut ertrunken.
    Sokor träumte einen Traum.
    Ein Reich der Orang Abung würde es nie mehr geben.
    Dieser Zug war abgefahren.
    Endgültig.
    Und er würde niemals wiederkommen.
    Die Noabiben brauchten keinen militanten Schwarmgeist als Führer, sondern einen Mann, der den Dingen ins Auge sehen konnte, so schmerzlich es auch sein mochte, was er dabei zu sehen bekam.
    An diesem Volk war bestimmt sehr gesündigt worden, aber so wenig wie man einen vergangenen Tag zurückholen konnte, um ihn aufs neue und besser zu verleben, so wenig ließ sich die Vergangenheit der Noabiben auslöschen.
    Als Volk konnten sie nicht weiterexistieren. Ihre einzige Überlebensmöglichkeit bestand aus der Flucht nach vorne. Siri war einer jener Männer, der den Weg aufgezeichnet hatte, der bewiesen hatte, daß die Küstenbewohner bereit waren, die Orang Abung zu assimilieren. Sie würden eines Tages aufgehen in einem Völkergemisch und zusammen mit anderen Gruppen zu einer neuen Rasse werden.
    Unter diesem Aspekt betrachtet war Sokor eine tragische Figur, die wie Don Quichotte gegen Windmühlen kämpfte. Er war ein ideologiefreier Dschungel-Guerrillero, der sich nicht an politische Dogmen, sondern an die Magie seiner Ahnen klammerte.
    Doch in seiner Situation tat sich Zamorra schwer, Mitleid mit diesem kleinen Mann zu empfinden, sosehr er seine Beweggründe verstand.
    »Niemand will eure Götter stehlen«, sagte Zamorra, und er empfand eine tiefe Traurigkeit dabei.
    Doch Sokor wollte gar nicht zuhören. Wie alle Verblendeten beugte er sich auch nicht dem vernünftigsten Argument.
    Zamorra wollte nicht auch noch zu einem Don Quichotte werden, und deshalb schwieg er. Man mußte den Dingen ihren Lauf lassen.
    Kismet…
    Sokor brachte ein verquältes Grinsen zustande.
    »Du willst also auch ein Magier sein? Dann beweise es mir. Beweise es am Pfahl, an dem du bald hängen wirst. Neben deiner Frau. Dann wird sich zeigen, welcher Zauber stärker ist. Der deine oder der meine.«
    Sokor wandte sich abrupt um.
    Er gab seinen Männern, die nicht ein Wort von dieser Unterhaltung verstanden hatten, ein Zeichen.
    Eine Unzahl von braunen Händen ergriff Zamorra und riß ihn hoch.
    ***
    Die Grube mußte sich etwas abseits von ihrem Lagerplatz auf einer kleinen Lichtung befunden haben, denn Zamorra wurde durch ein kurzes Waldstück geschleift.
    Was er danach zu sehen bekam, erinnerte ihn fatal an die Kulisse aus Abenteuerstreifen der frühen Hollywood-Grusicals. Nur daß man hier nicht Pappmache und mit Mörtel bespritzte Jutebahnen benutzt hatte, um
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