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0110 - Die Geistergrotte

0110 - Die Geistergrotte

Titel: 0110 - Die Geistergrotte
Autoren: Hans Wolf Sommer
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unerbittlich festhielt, versetzte er ihr mit der freien Hand eine schallende Ohrfeige.
    »Das soll dich lehren, du Schlange!« zischte er böse.
    Livana unterdrückte den in ihr aufsteigenden Wehlaut. Aber sie sah ein, daß es sinnlos war, sich gegen den Magier aufzulehnen. Sie ergab sich in ihr Schicksal.
    Zygor konzentrierte sich jetzt auf die entscheidende Phase des Rituals. Er griff nach dem Silbermedaillon auf seiner Brust, umklammerte den Fetisch mit nerviger Hand. Dann sprach er die überlieferten Formeln und flehte Hamaroth zum Schluß an, das Feuer zu zünden.
    Hamaroth erfüllte seine Bitte.
    Aus dem Fetisch zuckte ein greller Blitz hervor, der das grüne Pulver genau an der Pentagrammspitze in Brand setzte, die nach Osten deutete.
    Der Magier frohlockte. Gebannt sah er zu, wie die Glut das Pulver verzehrte, sich dabei nach beiden Seiten ausbreitete und den vorgezeichneten Konturen des Pentagramms folgte.
    Schwefelgeruch breitete sich im Hort des Magiers aus, stieg Zygor und Livana in die Nase. Während das Mädchen krampfhaft versuchte, die höllischen Dämpfe nicht einzuatmen, labte sich Hamaroths Schützling förmlich daran. Tief sog er das Schwefelaroma in die Lungen. Jeder Atemzug, den er tat, erschien ihm wie ein Geschenk seines Herrn und Meisters.
    Wieder donnerte es draußen vor der Tür, als Thalad das nächste Siegel sprengte. Zygor hörte es kaum noch. Er war mit seinen Gedanken bereits weit, weit weg.
    Sekunden jetzt noch bis zum entscheidenden Augenblick. Etwa zehn Tyr trennten die beiden aufeinander zukriechenden Feuerzungen noch voneinander, dann noch fünf, vier, drei, zwei…
    Das Feuer vereinigte sich.
    Ein Donnerschlag erschallte, gegen den das Bersten der Siegel bloße Geräuschkulisse war. Gleichzeitig schoß eine schwefelgelbe Waberlohe in die Höhe, die Zygor und Livana einhüllte wie ein Mantel. Aber das Feuer verbrannte sie nicht, denn es war so kalt wie das ewige Eis von Chromon.
    Die Sinne begannen ihnen zu schwinden, und es wurde dunkel um sie.
    Aber der Magier wußte, daß sie schon bald wieder aus der Dunkelheit zum Licht erwachen würden.
    ***
    Alarmiert blickte sich Professor Zamorra im Restaurant um.
    Nicole, die ihn so gut kannte wie kein zweiter Mensch auf der Welt, wurde sofort aufmerksam.
    »Ist was, Chef?«
    »Weiß noch nicht«, antwortete Zamorra geistesabwesend. »Mein Amulett…«
    Er schloß die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
    Nicole und Bill Fleming tauschten einen schnellen Blick. Auch der Amerikaner wußte, was es mit dem Amulett des Professors auf sich hatte. Er war schon bei zahlreichen Abenteuern des Parapsychologen dabei gewesen und hatte seine anfänglichen Zweifel an der Existenz der finsteren Mächte längst abgelegt.
    »Dämon in der Nähe, Zamorra?« fragte er.
    Der Professor schlug die Augen wieder auf. Ein sehr nachdenklicher Ausdruck lag darin.
    »Ein Dämon?« wiederholte er. »Ich weiß es wirklich nicht. Es ist ganz anders als gewohnt. Mein Amulett strahlt keine Wärme aus wie sonst, sondern gibt Kälte ab. So etwas habe ich bisher noch nie erlebt.«
    Er setzte sich so, daß ihn keiner der anderen Gäste des Restaurants von vorne sehen konnte. Dann lockerte er die Krawatte, öffnete den obersten Kragenknopf und zog an der Goldkette, so daß der Talisman sichtbar wurde.
    Kein Strahlen, kein Silberglanz! Zamorra hatte eher den Eindruck, daß das Amulett merkwürdig stumpf wirkte. Er berührte es mit den Fingerspitzen und fand bestätigt, was er bereits auf der Brust gespürt hatte: es fühlte sich an wie ein Stück Eis, das allerdings Gefahr lief, in den nächsten Augenblicken zu schmelzen. Die Kältegrade lagen nur wenig unter dem Nullpunkt.
    »Hm«, machte er und ließ das Amulett zurück auf seine Brust sinken. Anschließend schloß er den Knopf wieder und zog die Krawatte fest.
    »Entschuldigt mich für einen Augenblick«, sagte er und erhob sich von seinem Stuhl. Dann verließ er den Tisch und ging mit langsamen Schritten durch das Restaurant, dabei voll auf den Talisman konzentriert.
    Ein bißchen verständnislos blickte ihm der Amerikaner hinterher. »Was macht er, Nicole?«
    »Ich kann es nur vermuten«, erwiderte das Mädchen. »Normalerweise ist es so, daß sich die Temperatur des Amuletts erhöht, je mehr es sich der Ursprungsquelle der bösen Ausstrahlung nähert. Im umgekehrten Fall wird die Wärmeabgabe geringer. Auf diese Weise kann Zamorra das Amulett praktisch einsetzen wie einen Geigerzähler. Vielleicht will er
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