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0110 - Die Geistergrotte

0110 - Die Geistergrotte

Titel: 0110 - Die Geistergrotte
Autoren: Hans Wolf Sommer
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jetzt herausfinden, ob das mit der Käteabgabe genauso funktioniert.«
    Kurz darauf kehrte der Professor an den Tisch zurück und setzte sich wieder.
    »Und?« fragten Nicole und Bill wie aus einem Mund.
    Zamorra zuckte die Achseln. Dann bestätigte er, daß Nicole richtig vermutet hatte. Der Test war allerdings negativ verlaufen. Das Amulett war weder kälter noch wärmer geworden. Eins stand demnach fest: derjenige oder dasjenige, das für die Kälteausstrahlung verantwortlich war, befand sich nicht in unmittelbarer Nähe.
    »Na ja«, meinte Zamorra, »es geschehen Dinge zwischen Himmel und Erde… Fangen wir an zu essen, sonst wird die Suppe noch kalt.«
    Er ging mit gutem Beispiel voran und griff nach dem Silberlöffel. Nicole und Bill taten es ihm nach. Aber obwohl die Suppe so hervorragend war wie alles im Maxim - Mockturtle mit Sherry - bereitete sie dem Professor nur wenig Genuß. Die schwache Kälte, die er nach wie vor auf der Brust spürte, lenkte ihn zu sehr ab.
    Bill Fleming hingegen aß mit gutem Appetit. Plötzlich jedoch blieb dem Amerikaner die Suppe sozusagen im Hals stecken.
    Das war in dem Moment, als Zamorra und Nicole von einem Sekundenbruchteil zum anderen so starr dasaßen, als hätte sie der Blitz getroffen, und ihre Löffel klirrend auf den Teller fallen ließen.
    ***
    Verdammt, was war das gewesen? Professor Zamorra hatte urplötzlich das Gefühl gehabt, von einem Blitz getroffen zu werden, und es war ihm schwarz vor den Augen geworden. Jetzt aber fingen die dunklen Nebel um ihn herum wieder an, sich zu lichten.
    Er blinzelte… und glaubte zu träumen.
    Das gab es doch gar nicht!
    Er saß nicht mehr an einem Tisch im Feinschmeckerparadies Maxim, sondern stand in einer von flackerndem Fackelschein erhellten Felsenhöhle, die aussah wie die Kulisse eines phantastischen Hollywood-Films.
    Bill und Nicole waren verschwunden. Statt dessen stand ein blondes Mädchen neben ihm, das er niemals in seinem Leben gesehen hatte.
    Das Mädchen starrte ihn mit großen, schreckgeweiteten Augen an, die so blau waren wie die Südsee in einem reißerischen Werbeprospekt.
    »Wo… wo bin ich?« stotterte das Mädchen und sah ihn an wie einen Geist.
    »Das frage ich Sie, Mademoiselle!« erwiderte der Professor trocken.
    »Wer… wer sind Sie, Monsieur?«
    »Mein Name ist Zamorra. Und wer…«
    »Nein!« schrie das Mädchen. »Sie sind nicht Zamorra. Ich kenne den Professor, Sie… Sie…«
    Eine dunkle Ahnung kam dem Professor.
    »Ni… Nicole?« fragte er zögernd.
    »Ah, Sie kennen mich also!« stellte die junge Frau mit bösem Gesichtsausdruck fest. »Ich frage Sie noch einmal, Monsieur: Wer sind Sie?«
    Tief seufzte Zamorra auf. »Nicole, ich bin es wirklich! Kleiner Beweis gefällig? Wir, du, ich und unser gemeinsamer Freund Bill Fleming, saßen vor wenigen Augenblicken noch im Maxim und verzehrten eine Mockturtle…«
    Die junge Frau ließ ihn nicht weiterreden. »Das ist überhaupt kein Beweis!« schrie sie ihn an. »Sie haben mich aus dem Maxim verschleppt, und da ist es ganz klar, daß Sie wissen…«
    Ein Donnerschlag, in dem drei Frühlingsgewitter gleichzeitig zur Entladung zu kommen schienen, hallte grollend durch die Felsenhöhle und riß der blonden Frau das Wort von den Lippen.
    Entsetzt fuhr sie zusammen und wäre dabei fast zu Boden gestürzt. Erst in diesem Augenblick erkannte der Professor, daß ihre Hände mit einem dünnen Strick auf dem Rücken zusammengebunden worden waren.
    Zamorra war normalerweise ein Mensch, zu dessen hervorstechendsten Eigenschaften es gehörte, sich auf neue Situationen blitzschnell einstellen zu können. Diesmal jedoch stand er vor einem Rätsel.
    Diese blonde junge Frau, die da vor ihm stand, mußte Nicole sein. Das, was sie bisher gesagt hatte, ließ kaum einen anderen Schluß zu. Aber wie sah sie aus? Sie hatte ein anderes Gesicht, eine andere Figur, eine andere Stimme und trug kein schickes Frühjahrskostüm mehr, sondern ein seltsam geschnittenes Gewand, das entfernt an einen Kaftan erinnerte.
    Äußerst irritiert blickte der Professor an sich selbst herunter. Und da erst wurde er sich bewußt, daß er ebenfalls einen solchen Kaftan trug und seine Füße in geflochtenen Sandalen steckten.
    Seine Füße?
    Nein, es waren nicht seine Füße. Es waren die Füße eines anderen. Und das galt nicht nur für die Füße. Auch seine Hände, sein Körper und mit Sicherheit auch sein Gesicht gehörten einem Fremden. Einem Fremden, in dessen Haut er geschlüpft sein
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