0110 - Die Geistergrotte

Bill sofort.
    Auch Zamorra war einverstanden. »Bon«, sagte er und griff als vollendeter Gastgeber nach dem Koffer des Freundes.
    Nicht viel später betraten die drei die Flughafenfiliale des weltbekannten Nobelrestaurants. Es war bereits später Mittag, und deshalb herrschte nicht allzu viel Betrieb. Der Geschäftsführer, der den berühmten Parapsychologen Zamorra kannte, nahm sie selbst in Empfang und geleitete sie zu einem versteckten Ecktisch. Wenig später hatten sie alle drei ihre Bestellungen aus der umfangreichen Karte des Maxim ausgewählt und führten sich als Appetitanreger einen Aperitif zu Gernüte.
    »Na, alter Freund«, sagte Bill, »ich wundere mich, daß du hier so ruhig und friedlich mit uns am Tisch sitzt. Keine Dämonenjagd zur Zeit?«
    Zamorra wußte, auf was der Kulturhistoriker anspielte. Von Beruf war der Professor Parapsychologe, einer der bedeutendsten der ganzen Welt. Seine Bücher galten als Meilensteine und wurden in Fachkreisen als Evangelien angesehen. Die wissenschaftliche Arbeit füllte das Leben Zamorras jedoch nur zum Teil aus. Genauso wichtig, ja, wichtiger sogar noch, war etwas ganz anderes. Seit er auf dem ererbten Château de Montagne das zauberträchtige, aus uralten Zeiten stammende Amulett seines Vorfahren Leonardo de Montagne gefunden hatte, widmete er sich mit allen Kräften dem Kampf gegen die finsteren Mächte des Jenseits. Dämonen, Vampire, Geister, Hexen - all diese Vertreter des Bösen fanden in ihm einen unerbittlichen Gegner. Das Amulett Leonardo de Montagnes war ihm in diesem Kampf Verpflichtung und Hilfe zugleich. Fast immer trug er es bei sich, an einem schmalen, goldenen Kettchen, das sich um seinen Hals schlang. Dieser enge Körperkontakt mit dem Amulett war wichtig, kündigte der Talisman doch die Nähe unheiliger Manifestationen durch augenblickliche Erwärmung und die Abgabe eines strahlenden Silberglanzes an.
    »Mal den Teufel nicht an die Wand, Bill«, beantwortete Nicole die Frage des Freundes. »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, daß augenblicklich Waffenstillstand an der Dämonenfront herrscht.«
    Sie wußte nicht, wie sehr sie sich irrte.
    Als der Kellner ein Weilchen später die Suppe brachte, fing Zamorras Amulett an, sich zu erwärmen.
    ***
    Der dritte Donnerschlag wies Zygor mit aller Dringlichkeit darauf hin, daß er sich beeilen mußte. Ihm blieb jetzt nicht mehr viel Zeit.
    Trotzdem arbeitete er ganz ruhig und methodisch weiter. Er wußte, daß er keinen Fehler machen durfte. Die geringste Abweichung von den magischen Vorschriften konnte die »Weite Reise« zu einer Reise ins große Nichts werden lassen.
    Sorgfältig zeichnete er mit Silberkreide schnurgerade Striche auf den Felsboden, die sich in ihrer Gesamtheit zu einer ganz bestimmten geometrischen Form zusammenfügten: zu einem fünfstrahligen Stern, einem Pentagramm. Anschließend ging er hin und bestäubte die silbernen Linien mit einem feinen, grünen Pulver, dessen Essenzen zu den bestgehütesten Geheimnissen seines magischen Handwerks gehörten.
    Nun wurde es ernst…
    Zygor trat auf das Lager Livanas zu. »So, mein Vögelchen, es ist soweit!«, sagte er kehlig.
    Das Mädchen blickte mit umflorten Augen zu ihm hoch. Angst geisterte über ihre ebenmäßigen Züge, aber sie war zu stolz, ihn darum zu bitten, ihr die weite Reise zu ersparen.
    Der Magier bückte sich, löste ihre Kette von dem Haken an der Wand. Aber er dachte nicht daran, auch ihre auf dem Rücken zusammengebundenen Hände zu befreien.
    »Steh auf!« befahl er.
    Livana preßte die Lippen zusammen, machte jedoch keine Anstalten, seiner Aufforderung Folge zu leisten. Der passive Widerstand half ihr wenig. Zygor packte sie brutal an den Armen und zerrte sie hoch. Sie wand sich wie eine Schlange, versuchte, sich seinem Griff zu entziehen. Aber sie war machtlos gegen seine überlegenen Körperkräfte, konnte sich nicht dagegen wehren, daß er sie zu dem Pentagramm hinüberschleppte.
    Wieder hallte brüllender Donner durch die Höhle, als das vierte Siegel des Großen Hamaroth unter dem Ansturm der Kräfte des Lichts zerbarst.
    Zygor zerrte das Mädchen in die Mitte des Pentagramms. Livana ahnte, daß Schreckliches bevorstand. Und sie war klug genug, um zu erfassen, daß das gleichmäßig ausgestreute Pulver große Bedeutung hatte. Sie versuchte, den Pulverstrich mit dem Fuß zu verwischen, und fast wäre es ihr auch gelungen. Im letzten Augenblick konnte der Magier sie daran hindern.
    Während er sie mit dem linken Arm