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0110 - Die Geistergrotte

0110 - Die Geistergrotte

Titel: 0110 - Die Geistergrotte
Autoren: Hans Wolf Sommer
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sprungbereiter Haltung stehenblieb.
    Sie brauchte nicht lange zu warten.
    Die Tür wurde von außen aufgestoßen. Der Lichtschein einer Öllampe fiel ins Zimmer. Aber er erfaßte Nicole nicht, denn sie stand jetzt im toten Winkel hinter der Tür.
    »Tula Livana?« hörte sie eine beunruhigt fragende Männerstimme.
    Nicole verhielt sich mucksmäuschenstill.
    Ein Mann trat jetzt ins Zimmer, rief abermals den Namen der Fürstentochter. Und zwei Schritte hinter ihm kam der andere Wachposten. Nicole sah beide ganz deutlich, denn das Licht der Korridorlampe fiel voll auf die Männer.
    Weiter gingen sie ins Zimmer hinein, langsam, voller Argwohn, unentschlossen.
    Um so entschlossener war Nicole. Mit einem wahren Panthersatz löste sie sich von der Wand und stürmte auf die beiden Wächter los. Das Überraschungsmoment war ganz auf ihrer Seite. Der erste Mann konnte gar nicht erfassen, wie ihm geschah. Nicole schwang den Gongklöppel und hieb ihn dem Wächter auf den Hinterkopf.
    Dieser gab einen Stöhnlaut von sich und knickte dann wie in Zeitlupe in den Knien ein.
    Der andere fuhr herum. Nicole sah sein entsetztes Gesicht. Flackernde, vor Schreck geweitete Augen starrten sie an. Abwehrend wollte der Wächter den Arm heben, schaffte es aber nicht mehr. Erneut schlug Nicole zu. Und auch dieser Mann brach betäubt zusammen.
    Tief atmete Nicole auf. Das war leichter gegangen, als sie erwartet hatte. Sie beugte sich über die beiden Männer. Sie waren bewußtlos, würden es auch noch einige Zeit bleiben. Gott sei Dank hatte sie die Wächter nicht getötet. Darüber wäre sie sehr unglücklich gewesen, denn schließlich erfüllten die Männer nur ihre Pflicht.
    Nicole ging zur Tür, steckte den Kopf vorsichtig nach draußen. Die Luft war rein. Ruhig und verlassen lag der breite Korridor da. Die an der Decke hängenden Öllampen, kunstvoll geschmiedet und reich verziert, brannten zum überwiegenden Teil nicht. Nur die unmittelbar vor ihrem Boudoir und eine weitere am Ende des Korridors waren nicht gelöscht worden.
    Besser hättest du es gar nicht antreffen können, meine Liebe, sagte Nicole in Gedanken zu sich selbst.
    Sie trat in den Korridor hinaus und wollte die Tür gerade schließen, als ihr ein Gedanke kam. Darum kehrte sie noch einmal ins Zimmer zurück. Die beiden niedergeschlagenen Wächter waren bewaffnet. Jeder von ihnen hatte ein Schwert und einen Dolch mit langer, spitzer Klinge bei sich.
    Die Schwerter wiesen ein beträchtliches Gewicht auf und waren auch nur schwer am Körper zu verbergen. Nicole verzichtete deshalb darauf, eins davon an sich zu nehmen. Die Dolche jedoch konnte sie bequem im Gürtelband ihres Gewandes unterbringen.
    So gewappnet - den Klöppel verbarg sie unter der linken Achsel - machte sie sich auf den Weg.
    Sie kannte sich kaum aus in Riglandels Burg. Aber den Weg in die unterirdischen Gewölbe hatte sie sich gemerkt. Bis zur Folterkammer war sie selbst schon gegangen. Und wie es dann zu dem Verlies, in dem der Chef schmachtete, weiterging, hatte Zamorra ihr beschrieben.
    Lautlos über den dicken Teppich huschend - in diesem Teil der Burg gab es einen Luxus, der einen Barockfürsten beschämt hätte - erreichte Nicole die Korridorbiegung. Auch in dem Gang, der jetzt vor ihr lag, war keine Menschenseele zu sehen. Nicole eilte weiter, kam zu dem Treppenabgang, der in die unteren Geschosse führte. Sie lauschte, konnte aber nach wie vor niemanden hören oder gar sehen. Die ganze Burg schien tatsächlich in tiefem Schlaf zu liegen.
    Der Treppenabgang war ebenfalls nur schwach beleuchtet. Nicole tastete sich beim Hinuntersteigen am eisernen Treppengeländer entlang, um nicht ins Stolpern zu geraten. Das erste Zwischengeschoß passierte sie ohne jeden Zwischenfall, anschließend auch das zweite.
    Dann aber wurde es schwierig. Vor dem Abgang in die unterirdischen Gewölbe stand ein Wachposten. Und trotz der vorgerückten Stunde machte er keineswegs einen schläfrigen Eindruck. Zwischen den Eisenstäben des Geländers hindurchlugend, durchbohrte Nicole den Mann mit ihren Blicken. Er hatte sie bisher noch nicht bemerkt, würde das aber mit Sicherheit tun, wenn sie noch ein paar Schritte weiterging.
    Und weitergehen mußte Nicole. Sie nahm den Bronzeklöppel, der sich als Keule bereits bestens bewährt hatte, in die rechte Hand, verbarg ihn jedoch geschickt in den Falten ihres Gewands. Entschlossen setzte sie sich wieder in Bewegung und schritt die Obergeschoßtreppe ganz hinunter.
    Der Wächter sah sie.
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