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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra
Autoren: Richard Wunderer
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im Moment weniger auf die luxuriöse Einrichtung des Hotels, sondern begrüßte die verhärmte Araberin.
    Shaun erklärte ihr auf Französisch, wer wir waren.
    »Monsieur Sinclair!« Die großen, tief in den Höhlen liegenden Augen hatten allen Glanz verloren. Müde richteten sie sich auf mich. Und doch schimmerte ein Hoffnungsfunke in ihnen. »Meinen Sie, daß Sie meine Jungen wiederfinden werden?«
    Ich biß die Zähne zusammen und sah hilfesuchend zu Jane, doch sie zuckte ratlos wie ich die Schultern.
    »Madame Lerois.« Ich nahm mich zusammen. Mein Job war manchmal sehr hart. »Ich bin vor einer halben Stunde angekommen. Ich weiß noch gar nichts. Aber ich fürchte, es gibt nur drei Möglichkeiten. Entweder, Ihre Söhne sind freiwillig untergetaucht.«
    Sofort schüttelte Madame Lerois heftig den Kopf.
    »Oder sie werden irgendwo gefangen gehalten«, fuhr ich fort.
    »Die dritte Möglichkeit… sie sind tot. Ich weiß es nicht.«
    Bestimmt hätte sie in diesem Moment zu weinen begonnen, hätte sie noch Tränen gehabt. So aber nickte sie nur und händigte uns die Zimmerschlüssel aus. Sie wollte einem Hotelangestellten läuten, doch Shaun winkte ab, schnappte sich wieder unser Gepäck und ging mit uns nach oben.
    Dicke Läufer dämpften unsere Schritte. Man hätte meinen können, in dem besten Hotel von Grenoble und nicht auf einem Berggipfel zu sein. Das Ehepaar Lerois hatte wirklich etwas für seine Gäste getan.
    »Gehen wir erst einmal in Ihr Zimmer, John«, sagte Shaun. Er trat durch die offene Tür, wartete, bis Jane sie wieder geschlossen hatte, und sah mich durchdringend an. »John! Bill hat mir telegrafiert, daß Sie Spezialist für Übersinnliches sind. Dämonen und Vampire und solches Zeug.« Er zuckte die Schultern. »Glauben Sie an solche Sachen? Glauben Sie daran, daß Tote auferstehen und keine Ruhe finden? Eine ehrliche Antwort!«
    Ich hielt seinem Blick ruhig stand. »Ja«, sagte ich einfach.
    Er atmete tief durch. »Okay, John und Jane! Ich habe bisher mit niemandem darüber gesprochen, aber ich glaube, ich weiß, warum die Leichen der Lerois-Brüder nicht am Fuß der Wand liegen.«
    Ich nickte ihm aufmunternd zu, als er schwieg. »Machen Sie es nicht so spannend!« rief ich.
    Er holte noch einmal tief Luft. »Sie liegen nicht da unten, weil sie pausenlos durch die Wand kletterten. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen!«
    ***
    Sekundenlang blieb es totenstill im Raum. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen gehört, hätte einer von uns eine Stecknadel dabei gehabt. Jane vergaß vor Überraschung sogar zu frieren. Endlich ließ ich mich in einen der schalenförmigen Sessel fallen.
    »Los, erzählen Sie schon!« forderte ich unseren Informanten auf.
    Jane lief ins Nebenzimmer und ließ die Verbindungstür offen.
    »Ich höre zu!« rief sie uns herüber. »Aber ich muß endlich etwas Warmes anziehen!«
    »Ja, das war so.« Shaun Loughelin räusperte sich. Er fühlte sich in seiner Haut sichtlich nicht wohl. »Noch an dem Tag, an dem die Brüder verschwanden, alarmierte mich Pierre Lerois. Ich bin Mitglied der Bergrettung. Aber nicht nur deshalb machte ich mich sofort auf den Weg. Ich bin mit dem Ehepaar Lerois befreundet. Aber ich fand nichts. Danach war ich jeden Tag in der Todeswand, wo überhaupt ein Mensch klettern kann. Nichts!« Wieder räusperte er sich, als habe er Sand verschluckt. »Ja, und dann sah ich die Bergsteiger. Drei. Ich erkannte ihre Kleider. So waren immer die Lerois-Brüder angezogen. Die Gesichter konnte ich nicht sehen, sie hatten die Kapuzen der Anoraks tief in die Stirn gezogen, und sie blieben immer so fern, daß ich nicht an sie herankam. Und noch etwas, John. Sie benützten Routen durch die Wand, auf denen unmöglich jemand klettern kann. Absolut ausgeschlossen!«
    Ich glaube diesem Mann jedes Wort. Er gehörte nicht zu den Wichtigtuern, die einfach etwas behaupteten, um sich interessant zu machen.
    »Woher kamen sie, und wohin gingen sie?« forschte ich.
    Shaun zuckte die breiten Schultern. »Keine Ahnung! Es ist sehr merkwürdig, aber ich entdeckte sie immer erst, wenn sie schon mitten in der Wand waren, und dann verschwanden sie auch wieder. Mal in einem Nebel, mal hinter einem Felsvorsprung. Ich konnte ihnen nie folgen.«
    »Und wenn es Bergsteiger waren, die nur so ähnlich gekleidet waren?« rief Jane aus ihrem Zimmer herüber. Gleich darauf kam sie wieder. Jetzt trug sie einen gestrickten Hausanzug in einem zarten Lila, das hervorragend zu ihren
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