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0104 - Die Stieftochter des Teufels

0104 - Die Stieftochter des Teufels

Titel: 0104 - Die Stieftochter des Teufels
Autoren: Hans Joachim von Koblinski
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für aussichtslos. Was war das eben, Liebling?«
    Irgendwo piepste wieder etwas. Robert Jeffre hielt es für richtiger, dem Mädchen reinen Wein einzuschenken. »Eine Ratte, Jeanne!«
    »Warum ist es denn so dunkel hier?« wimmerte sie. »Und mir ist so kalt…!«
    »Pssst… da kommt jemand!« Robert Jeffre preßte Jeannes schmalen Körper fest an sich.
    Jeanne Audret begann zu weinen. Tränen strömten über ihre Wangen, benetzten seine Hand. »Ich bin doch bei dir, Jeanne«, flüsterte er. »Niemand wird dir etwas tun, solange…«
    Er schwieg, denn in diesem Moment vernahmen sie das Geräusch eines ins Schloß gesteckten Schlüssels, der zweimal herumgedreht wurde. Dann öffnete sich die Tür. Licht fiel in das Verlies, in dem Robert und Jeanne auf dem nackten, kalten Boden lagen.
    »Aufstehen… alle beide…!« sagte eine kalte Stimme.
    Robert blinzelte in den Strahl einer elektrischen Handlampe. Sehen konnte er nicht viel, nur die schemenhaften Umrisse einer hohen, schlanken Gestalt.
    »Ridicule, hilf etwas nach!« Wieder diese herrische, keinen Widerspruch duldende Stimme.
    Das Licht schwankte, verschwand für Sekunden, weil sich ein plumper unförmiger Körper davorschob.
    Jeanne stieß einen entsetzten Schrei aus, als sie den riesigen, mißgestalteten Kerl sah, der mit pendelnden Armen auf sie beide zukam. Auch Robert zuckte heftig zusammen. Wie ein Frosch, dachte er, wie kann man nur so aussehen?!
    Es schien, als hätte der hinter der Lampe Stehende seine Gedanken erraten. »Ich weiß, daß Ridicule keine Schönheit ist«, sagte wieder die kalte Stimme. »Und er weiß es auch, nur hört er es nicht gern aus anderem Munde. Wenn ihr nicht aufsteht, wird er ungemütlich! Also…?!«
    Langsam erhob sich Robert, Jeanne dabei mit sich ziehend. Krampfhaft überlegte er, was das alles sollte. Zwar hatte er in Beaufort etwas über das Schloß munkeln hören, aber nur darüber gelächelt. In dieser Gegend ist man stets sehr schnell mit Spukgeschichten zur Hand - mit Schauermärchen, über die ein Großstädter nur lachen kann. Jetzt allerdings schien es ihm, als würde ihm das Lachen vergehen…
    Robert Jeffre hatte für das in diesen Breiten übliche Dorfgeschwätz nur ein belustigendes Lächeln übrig. So erzählte man sich in Beaufort, der alte Kastellan von Château deCassagne sei gar nicht so alt, sondern in Wirklichkeit ein Ahnherr des Marquis de Cassagne - jener Henri Dupont, den wütende Bauern im Jahre 1561 hängten, weil er die Tochter eines der ihren geschändet und anschließend getötet hatte.
    Es mag paradox klingen, daß die Leute in Beaufort behaupteten, der Kastellan Edouard Rivette wäre gar nicht so alt, wie er aussähe, auf der anderen Seite jedoch in ihm einen seit über vierhundert Jahren toten Ahnherrn des jetzigen Besitzers sahen. Der Schmied des Ortes hielt es allerdings nicht für paradox. In seiner Wohnstube hing ein alter Stich, auf dem Henri Dupont zu sehen war - unter einem Baum stehend, die Schlinge um den Hals, umringt von sechs aufgebrachten Bauern. Tatsächlich war eine gewisse Ähnlichkeit mit Edouard Rivette nicht abzustreiten. Robert Jeffre kannte das Bild, und er kannte selbstverständlich auch den Kastellan, der hier ja den Besitzer des Schlosses vertrat.
    Nein, über solche Märchen konnte er nur lachen. Er hatte oft mit dem Kastellan gesprochen und kannte ihn als höflichen, intelligenten, zuvorkommenden und gebildeten Mann. Sein Alter schätzte er auf Mitte Sechzig. Außer dem Alten gab es noch einen Krüppel, der dem Kastellan zur Hand ging und auch die Einkäufe tätigte. Ihn hatte Robert noch nie zu Gesicht bekommen. Genausowenig wie Denise, die schöne rothaarige Tochter Rivettes. In Beaufort erzählte man sich Wunderdinge über diese Frau. Demnach mußte Aphrodite in ihr wiedergeboren worden sein.
    Denise, so wußte der Wirt des einzigen Gasthofes in Beaufort zu erzählen, sei sehr groß, langbeinig, vollbusig, hätte lange, rote Haare, grüne Augen, milchigweiße Haut und sinnliche Lippen. Ein wahres Teufelsweib. Ob sie ständig auf dem Schloß lebte, wußte niemand. Zweimal war sie in Beaufort gesehen worden.
    Robert hätte sie gern kennengelernt. Ein Wunsch, der ihm erfüllt werden sollte. Allerdings - viel Freude würde ihm diese Begegnung nicht bringen…
    Der häßliche Kerl mit dem Froschgesicht grapschte nach Jeanne, die wieder einen schrillen Schrei ausstieß und sich entsetzt an Robert klammerte.
    »Was soll dieser verdammte Unsinn?« schrie Jeffre.
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