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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige
Autoren: Michael Cobley
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erhob sich in einem Wirbel aus Federn und Gischt in die Luft. Suviel lächelte, als der Vogel, ein Grünling, einmal um die Lichtung kreiste, bevor er sich auf einem Zweig niederließ.
    Unvermittelt ließ die Kraft des Gesangs der Niederen Macht nach. Sie fühlte, wie der Druck des BrannQuell-Fluchs unerklärlicherweise zurückschlug, und die Wasser wieder einfror, die sie eben erst befreit hatte. Sekunden später war alles wie zuvor. Bis auf den Grünling, der noch auf dem gefrorenen Zweig saß. Unvermittelt breitete er die Schwingen aus und schoss zwischen den Zweigen davon. Suviel spürte sofort die Veränderung in der Luft und sah auf der anderen Seite der Lichtung ein helles Flackern, das sich zwischen den Bäumen näherte. Rasch ergriff sie ihre Fackel, löschte sie in dem nassen Gras, eilte zu ihrem Pferd und band es los. Sie führte das Tier über den Pfad zurück und band es an einen kräftigen Busch in der Nähe des Einganges zur Schlucht an. Dann schlich sie zurück zum Hain und versteckte sich im dichten Unterholz.
    Sieben Gestalten erschienen zwischen den Bäumen auf der anderen Seite, von denen eine ein Pferd am Zügel führte, das mit verschiedenen Säcken beladen war. Alle trugen braune Pelze und schwarze Mäntel, die typische Kleidung yularischer Händler. Doch Suviel wusste, dass sie keine Kaufleute waren. Sie bewegten sich mit einer disziplinierten Zielstrebigkeit, die verriet, dass es sich um Krieger handelte. Fünf traten an das Becken und bezogen rings herum in gleichmäßigen Abständen Position. Ein Sechster nahm einige Gegenstände aus den Säcken und trug sie hinüber zu dem Loch, an welchem der Siebte bereits wartete. Dieser Mann war größer als die anderen, sein Haar war silberfarben und sein schmales Gesicht war so hager und erbarmungslos wie das eines Raubvogels. Suviel erzitterte erneut, diesmal jedoch, weil sie davon überzeugt war, einen Akolythen des Zwielichts vor sich zu sehen.
    Ihr gesunder Menschenverstand bestürmte sie, wegzulaufen, solange man sie noch nicht entdeckt hatte. Doch hier fand etwas Bedeutsames statt, dessen war sie sicher, und sie konnte es beobachten. Der Akolyth bereitete ein Ritual vor, verstreute Tropfen aus einer Phiole und Puder aus winzigen Tiegeln in und um das Loch, während er eine unaufhörliche Litanei zischender Laute von sich gab, die Suviel nicht entschlüsseln konnte. Dann entließ er seinen Assistenten mit einer Handbewegung, senkte den Kopf und breitete die Arme aus. Jetzt sprach er mit einer gutturalen, dröhnenden Stimme. Suviel spürte die Macht, die sich um den Akolythen sammelte, während der muffige Geruch zu einem beißenden Gestank wurde, der ihr in der Nase brannte und ihre Zunge belegte.
    Ein Licht, ein blasses, grünliches Schimmern, pulsierte in dem Loch, bis es sich zu einer wirbelnden Säule aus nebligen Strängen und dunstigen Strudeln verdichtete. Suviel erkannte ein Gewirr aus Bildern, einen Mann, der in einem Zelt schlief, drei Reiter, die über eine brennende Wüste galoppierten, ein Skelett, das aus einem Grab stieg …
    Der Akolyth trat von der Lichtsäule zurück, und eine nebelhafte Welle wogte von ihr in alle Richtungen. Sie kam erst dort zum Halten, wo das Eis auf den Boden traf. Es sah aus, als wäre das Becken von einer undurchsichtigen Wand umschlossen. Als die blasse Welle jedoch die Stelle erreichte, wo Suviel das Wasser geschmolzen hatte, wirbelte der Akolyth herum und starrte die Pfütze an. Einen Moment später richtete sich sein grimmiger Blick unfehlbar dorthin, wo Suviel hinter dem Gebüsch kauerte. Seine Augen waren leblose, weiße Linsen, und sie schienen bis in ihre Seele zu dringen. Suviel rang erschreckt nach Luft, verlor das Gleichgewicht und brach damit den fürchterlichen Bann. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte und hastig den Pfad zurücktaumelte, hörte sie die Stimme des Akolythen hinter sich. »Ergreift sie!«

3
    Wer hat Euch die Wege der Grausamkeit
gelehrt, und wie Ihr die Seelen
der Menschen entstellen könnt?
    Wer hat Euch geformt
und Eure harte Seite geschärft?
    DAS BUCH VON FEUER UND EISEN
    Keren saß am Lagerfeuer und genoss die Hitze, die sich über ihr Gesicht und ihre Arme ausbreitete und sie wärmte. Aus dem Zelt unten am Fluss drangen die Schmerzensschreie des Gefolterten bis zu ihr hinauf, doch sie schärfte scheinbar ruhig ihren Säbel. Zum fünften Mal an diesem Abend ließ sie den groben Wetzstein über die Hinge gleiten. Äußerlich schien sie vollkommen darin vertieft zu
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