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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige
Autoren: Michael Cobley
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abscheulichen Akolythen des Zwielichts durch die Heiligen Hallen von Trevada, wo einst Magier gelehrt und gelernt hatten, und namenlose Schrecken heulten in den Kammern der Erhabenen Basilika.
    Sie hörte Schritte hinter sich. Suviel tadelte sich, weil sie in Erinnerungen geschwelgt hatte, trocknete noch einmal ihre Augen und drehte sich herum. Die Hebamme wartete. Nervös wrang sie ihr Halstuch in den Händen, und ihre Miene verriet ihre Unsicherheit. Schließlich trat sie vor.
    »Shin Hantika«, sagte sie mit tränennassen Augen und wollte auf die Knie fallen.
    Suviel erhob sich beunruhigt, als die Frau den geächteten magischen Titel benutzte, packte ihren Arm und zwang sie, stehen zu bleiben.
    »Nicht, Lilia«, sagte sie. »Nicht hier draußen. Jemand könnte uns beobachten.«
    Die Hebamme stammelte Entschuldigungen, aber Suviel legte ihr die Hand auf die Schulter und brachte sie zum Schweigen. Lilia Maraj war, wenn sie sich recht erinnerte, die Tochter eines Adligen aus Roharka und hatte einst als Kinderfrau im Palast gedient.
    »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte sie die Frau. »Sag mir nur eines: Wie schnell hast du herausgefunden, wer ich bin?«
    »Nicht schnell. Erst als Ihr die alte Heilungssure ein zweites Mal gebetet habt. Da habe ich mich an Euch erinnert. Ich brachte damals die Kinder in die Hallen der Magier, damit sie dort von ihren Wunden und Wehwehchen geheilt würden.« In ihrer Stimme schwang ein sehnsüchtiger Unterton mit. »Sie waren so lebhaft und so voller Neugier. Und haben immer irgendwelche Dummheiten angestellt…«
    »Wie geht es Mutter und Kind?«, unterbrach Suviel sie.
    Lilia seufzte. »Sie sind noch schwach, erholen sich jedoch langsam. Ich bezweifele, dass sie noch einmal gebären kann. Dem Baby geht es gut. Er ist eine robuste, kleine Seele.«
    »Gut, das freut mich«, erwiderte Suviel ernsthaft und lachte dann leise. »In den letzten Jahren konnten mich nur wenige Dinge so aufheitern wie mitzuhelfen, ein neues Leben auf die Welt zu bringen.« Lilia schwieg einen Moment. Auf ihrem feinen, schon runzligen Gesicht zeichnete sich eine tiefe Müdigkeit ab. »Es ist eine schreckliche Welt, in die sie hineingeboren werden«, meinte sie ruhig und sah dann plötzlich hoch. Ihr Blick war lebhaft. »Warum muss es so sein, Herrin, warum? Die Herrschaft der Kriegsherrn und Häuptlinge kann doch nicht ewig andauern?«
    Suviel seufzte. »Die Clans der Mogaun sind stark und mächtig in ihrer Einigkeit, und ihre Schamanen verfügen über große und schreckliche Macht, Lilia. All dies hat man uns genommen.«
    Lilia schüttelte den Kopf. »Ich glaube fest daran, dass die Zeit kommen wird, in der wir unsere Freiheit wiedererlangen.«
    »Gunderlek hielt diese Zeit bereits für gekommen«, erinnerte Suviel sie.
    Sie schwiegen und hingen ihren bedrückenden Gedanken nach.
    »Shin Hantika«, begann Lilia dann erneut, »Ihr seid doch dem Fall von Besh-Darok entkommen. Hat denn sonst niemand überlebt, keiner der anderen Magier und Bannwirker, keiner der Ritter des Tempels? Gibt es denn wahrhaftig keine Möglichkeit, das Licht in unser Leben zurückzubringen? Gibt es keine Hilfe für uns?«
    Suviel spürte die Verzweiflung in der Stimme der Frau und einen mitleidigen Augenblick lang hätte sie gern erwidert: ›Ja, einige von uns sind entkommen und haben sich in diesen langen, finsteren sechzehn Jahren versteckt oder verkleidet, und selbstlos auf eben den Moment hingearbeitet, den du dir so wünschst.‹
    Aber die Gefahr war zu groß. Wenn auch nur ein Gerücht die Agenten der Akolythen erreichte, dass noch Magier lebten, würden Nachtjäger und andere verhexte Bestien durch ganz Khatrimantine gehetzt, um jeden Träger der Niederen Macht aufzuspüren. Sie und alle, die wie sie waren, müssten fliehen, vielleicht sogar über das Wilde Meer bis nach Keremenchool. Nein, dieses Risiko durfte sie nicht eingehen.
    Sie wappnete sich. »Lilia … Ich war am Fluss, als die Feuerfalken sich auf die Hallen der Magier gestürzt haben. Einem solchen Inferno konnte niemand entkommen. Es tut mir Leid…« Suviel sah, wie die verzweifelte Hoffnung im Blick der anderen Frau erlosch. Schweigend standen sie eine Weile nebeneinander, und Suviel wollte gerade einige tröstende Worte murmeln, als Lilia sprach. Sie hielt den Kopf gesenkt.
    »Nicht Ihr solltet Euch entschuldigen, Herrin. Ich habe gefehlt, indem ich Euch meine Ängste und Sehnsüchte aufgebürdet habe, während Ihr doch Euren Weg in dieser Welt ohne die Macht der
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