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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige
Autoren: Michael Cobley
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warf ihm die Streitaxt vor die Füße. »Hätte Kiso meine Befehle befolgt …«
    »Ja«, unterbrach er sie. »Davon weiß ich.« Er griff nach hinten und zerrte einen Leichnam auf die Veranda. Es war Kiso. Man hatte ihm den linken Fuß und die rechte Hand abgehackt. »Der Narr hoffte wohl, ich würde ohne seine Hilfe verrecken!« Er versetzte der Leiche einen heftigen Tritt und grinste Keren an.
    »Das ist noch nicht alles«, fuhr er fort. »Sieh, was ich noch gefunden habe!« Er wandte sich an einen seiner Leute. »Schaff unser neues Haustier her!« Eine schlanke Gestalt taumelte aus der Tür. Es war ein junger Mann, der von der Hüfte aufwärts nackt war. Byrnak versetzte ihm beiläufig einen Stoß, der ihn rücklings zu Boden warf. Keren bemerkte sofort die schmutzige blaue Hose.
    »Ein Priester der Macht der Wurzel!«, sagte sie verwirrt.
    »Richtig, Keren, mein Täubchen. Der letzte einer aussterbenden Art, und auch er wird bald ausgelöscht sein, was?« Seine Leute stimmten in Byrnaks boshaftes Lachen ein. »Sie wollten ihn gerade foltern, aber ich habe beschlossen, dieses Vergnügen für mich selbst aufzusparen.« Keren wandte sich ab. Überall stöhnten und schrieen die Verwundeten, und es stank nach Blut und Rauch. Auf der anderen Seite des Dorfplatzes erlösten die Reiter die Sterbenden beider Parteien mit schnellen Speerstichen. Andere plünderten das frisch eingebrachte Getreide und die übrige Ernte aus den Häusern der Dorfbewohner. Hinter ihr brandete dröhnendes Gelächter auf, in das auch Falin dicht neben ihr einstimmte.
    Keren zog ein Tuch aus ihrem Wams und versuchte, ihren Säbel vom Blut zu reinigen. Doch die Klinge war schartig und riss das Tuch in Fetzen.
    Das hier ist das Reich des Todes, dachte Keren benommen. Und wir sind seine elenden, zerlumpten Handlanger.

2
    Gebete sind wie Rauch oder Wasser. Entweder verschwinden sie spurlos, oder sie nähren das Ungesehene.
    DAS BUCH VON STEIN UND FEUER
    Die Geburt verlief ganz und gar nicht gut. Bestimmt zum zehnten Mal in dieser Nacht wünschte sich Suviel Hantika, dass sie einen Hauch, einen winzigen Schimmer der Macht der Wurzel in sich finden könnte, mit der sie der Frau wirklich helfen konnte. Durch die schwache Verbindung, die sie bereits zum Geist der Gebärenden geschaffen hatte, spürte sie die Qualen, welche den Körper der erschöpften Frau peinigten. Aber sie verfügte nur über die Niedere Macht, die es ihr eben ermöglichte, die schlimmsten Schmerzen zu lindern. So blieb ihr nur, zu beten, dass sie diese Geburt überleben möge. Beten?, schoss es ihr bitter durch den Kopf. Zu wem oder was?
    Ängstliche Schreie drangen von der Straße durch die Fensterläden in die winzige Stube, aber Suviel ließ sich nicht in ihrer Konzentration stören. Die unterdrückten Rufe kündeten von einer Schlägerei, einem Raub oder vielleicht sogar einem Mord. Das waren vertraute Geißeln in einer Stadt, die in nur zwei Monaten schon zweimal ihren Herrn gewechselt hatte.
    Wieder kam eine Wehe. Die Frau stöhnte, und Suviel hatte Mühe, sich nicht von den Qualen überwältigen zu lassen. Als die Hebamme und die anderen alten Weiber sie flehentlich ansahen, unterdrückte sie ihre Mattigkeit und beugte sich dichter zum Ohr der Frau hinunter. Dabei strich ihr über die schweißnasse Stirn, und beschwor einen Gedankengesang. Die Wortfetzen kreisten in ihrem Kopf, Bruchstücke von Klang, Farbe und Geruch, Essenz und Mysterien verbanden sich miteinander und mit ihrem eigenen Wesen. Teilte man sie mit einem Patienten, stärkten sie die natürlichen Heilkräfte der Person.
    Die Niedere Macht summte leise durch ihren Verstand, und sie fühlte, wie Ruhe in das aufgewühlte Bewusstsein der Frau sickerte, gemächlich wie ein langsam dämmerndes Morgengrauen. Aber die Schmerzen waren so intensiv, die Frau so von den schrecklichen Krämpfen erfüllt, dass Suviel ihren Widerhall wie Phantomschmerzen in ihrem eigenen Becken spürte. Sie ignorierte diese Echos, tauchte tiefer in ihre körperlichen und geistigen Reserven hinab und ließ ihre eigene Lebenskraft in den Gedankengesang einfließen.
    Die Erschöpfung setzte ihr unaufhaltsam zu. Ihre Arme wurden schwer, sie atmete flacher, und ihr Hals schmerzte, so trocken war er.
    Während ein Teil von ihr in das Ritual vertieft war, nahm ein anderer Teil Einzelheiten ihrer Umgebung wahr. Den gelben Schimmer der Wandlampen, die alten Weiber, kleine, von großen Kapuzen verhüllte Gestalten, die ihre Erden Mutter -Amulette
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