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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus
Autoren: Elizabeth George
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ermordete? Oder war das Ihr Einfall, Pater?«
    »Ich wußte nichts von dem Kind. Ich wußte es nicht. Ich wußte es nicht.« Die Stimme klang beschwörend.
    »Aber Sie wußten es, als Sie es in der alten Abtei fanden. Da wußten Sie es ganz genau. Sie wählten Perikles, Pater Hart. Sie wußten Bescheid.«
    »Er - er hat das nie gebeichtet. Nie.«
    »Und was hätten Sie getan, wenn er es gebeichtet hätte? Was hätten Sie ihm denn als Buße auferlegt für den Mord an seinem Kind? Denn Mord war es. Sie wissen, daß es Mord war.«
    »Nein! Nein!«
    »William Teys trug diesen Säugling von seinem Hof zur alten Abtei. Er konnte ihn nicht einwickeln, weil alles, was er benutzt hätte, ihn verraten hätte. Deshalb trug er das Kind nackt. Und es starb. Sie wußten sofort, als Sie das Kind sahen, wessen Kind es war und wie es in die Abtei gekommen war. Sie wählten Perikles für den Grabspruch. ›... Mord ist Nachbar der Lust, wie Flamme und Rauch.‹ Sie wußten es.«
    »Er schwor ... danach ... er schwor, er wäre geheilt.«
    »Geheilt? Eine wunderbare Heilung von sexueller Abartigkeit durch den Tod seines Kindes? Glaubten Sie das wirklich? Oder wollten Sie das nur glauben? Er war geheilt, o ja. Er war geheilt davon, Roberta zu vergewaltigen. Aber jetzt hören Sie genau zu, Pater, denn das haben Sie auf dem Gewissen, und bei Gott, Sie sollen es von mir hören: Sonst änderte sich nichts.«
    »Nein!«
    »Sie wissen, daß es die Wahrheit ist. Er war süchtig. Das einzige Problem war, daß er frisches junges Blut brauchte, um seine Sucht zu stillen. Er brauchte Bridie. Und Sie hätten es zugelassen.«
    »Er schwor mir -«
    »Ach, geschworen hat er? Auf die Bibel, die er dazu benutzte, Gillian einzureden, sie müsse ihren Körper ihrem Vater geben?«
    »Er kam nicht mehr zur Beichte. Ich wußte nichts davon. Ich -«
    »Sie wußten es. Von dem Moment an, als er anfing, sich um Bridie zu kümmern, wußten Sie es. Und als Sie auf den Hof kamen und sahen, was Roberta getan hatte, da brach die Wahrheit augenblicklich über Sie herein, nicht wahr?«
    Er hörte ein unterdrücktes Aufschluchzen, eine erstickende Stille. Dann einen langgezogenen Klagelaut, der in drei abgerissenen Worten endete. »Mea ... mea culpa.«
    »Ja«, stieß Lynley hervor. »Durch Ihre Schuld, Pater.«
    »Ich konnte nicht ... Das Beichtgeheimnis. Es ist ein heiliger Eid.«
    »Es gibt keinen Eid, der wichtiger ist als das Leben. Es gibt keinen Eid, der wichtiger ist als die Zerstörung eines Kindes. Das erkannten Sie, nicht wahr, als Sie auf den Hof kamen? Sie erkannten endlich, daß Sie Ihr Schweigen brechen mußten. Darum wischten Sie das Beil ab, ließen das Messer verschwinden und kamen zu Scotland Yard. Sie wußten, daß auf diesem Weg die Wahrheit ans Licht kommen würde; die Wahrheit, die zu enthüllen Ihnen der Mut fehlte.«
    »O Gott, ich ... verstehen und verzeihen.«
    »Dafür nicht. Nicht für siebenundzwanzig Jahre sexuellen Mißbrauchs. Für zwei zerstörte Leben. Für den Tod ihrer Träume. Dafür gibt es kein Verstehen. Dafür gibt es kein Verzeihen. Nein, bei Gott, dafür nicht.«
    Er stieß die Tür des Beichtstuhls auf und ging.
    Hinter ihm schwoll eine dünne, zittrige Stimme in verzweifeltem Gebet an. »Sorgt euch nicht um die Übeltäter ... sie werden bald niedergemäht wie das Gras ... vertraut auf den Herrn ... er wird euch die Wünsche eurer Herzen erfüllen ... Übeltäter werden gefällt ...«
    Kaum fähig zu atmen, drückte Lynley das Portal der Kirche auf und trat an die frische Luft.

    Helen stand an einen von Flechten überzogenen Sarkophag gelehnt und beobachtete Gillian, die an dem kleinen Grab unter den Zypressen stand. Sie hielt den Kopf gesenkt, in schweigender Betrachtung oder im Gebet. Helen hörte Lynleys Schritte, aber sie rührte sich nicht, auch dann nicht, als er sich zu ihr stellte und sie den ruhigen Druck seines Arms an ihrem eigenen fühlte.
    »Ich habe Deborah gesehen«, sagte er endlich.
    »Ah.« Ihr Blick blieb auf Gillians zierliche Gestalt gerichtet. »Ich dachte mir schon, daß du sie vielleicht sehen würdest, Tommy. Auch wenn ich das Gegenteil hoffte.«
    »Du wußtest, daß sie hier in Keldale waren. Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    Sie senkte einen Moment lang die Lider.
    »Was gab es denn schon zu sagen? Wir hatten es schon so oft gesagt.« Sie zögerte, sie hätte das Thema gern fallenlassen, ein für allemal sterben lassen. Aber die vielen Jahre der Freundschaft mit ihm erlaubten ihr das nicht.
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