Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
Frachter fuhr noch dazu für seine Verhältnisse ein bißchen zu schnell. Warum hat Ryan nicht noch zehn verfluchte Minuten warten können? fragte sich Kelly. Der Schalter für den Brandsatz war in Reichweite. Fünf Sekunden nachdem er ihn gedrückt hätte, würden die Treibstofftanks in die Luft gehen, aber das war keinen Pfifferling wert angesichts des Küstenwachkutters, der nur zweihundert gottverdammte Meter zurücklag.
    Was nun?
     
    »Ich habe gerade zwanzig Meter gewonnen«, bemerkte Oreza mit ebensoviel Genugtuung wie Kummer.
    Er sah, daß Kelly sich nicht umblickte. Der mußte schon Bescheid wissen. Mein Gott, bist du gut, sagte sich der Küstenwachoffizier insgeheim und bedauerte, daß er dem Mann so zusetzen mußte, aber der andere mußte wissen, daß dies nur ein Kräftemessen zwischen zwei Seeleuten war. Indem er das Rennen auf diese Art durchführte, zollte er Oreza Respekt. Er mußte Waffen haben und hätte sich umdrehen und feuern können, um seine Verfolger abzulenken und aus der Fassung zu bringen. Aber das tat er nicht, und Portagee Oreza wußte, warum. Damit hätte er gegen die Regeln eines solchen Rennens verstoßen. Er würde das Rennen nach besten Kräften für sich zu entscheiden suchen, und wenn es soweit war, würde er die Niederlage hinnehmen. Zwar würden beide Männer Stolz und Bedauern empfinden, doch jeder hätte immer noch Achtung vor dem anderen.
    »Wird bald dunkel«, sagte Tomlinson und zerstörte den Wachtraum des Offiziers. Der Junge begriff einfach nicht, aber er war ja nur ein frischgebackener Leutnant zur See. Vielleicht würde er es eines Tages lernen. Das taten sie meistens, und Oreza hoffte, daß Tomlinson aus der heutigen Lektion eine Lehre ziehen würde.
    »Nicht früh genug, Sir.«
    Oreza ließ kurz den Blick über den Horizont schweifen. Der unter französischer Flagge fahrende Frachter nahm etwa ein Drittel seines Sichtfelds ein. Der turmhohe Schiffsrumpf, der majestätisch über die Wasseroberfläche glitt, glänzte im frischen Anstrich. Die Mannschaft dort wußte nichts von dem, was hier vor sich ging. Ein neues Schiff, registrierte das Gehirn des Offiziers, und seine knollige Bugnase verursachte eine hübsche Reihe von Bugwellen, die das andere Boot wieder zum Surfen benutzte.
    Die schnellste und einfachste Lösung war die, den Kutter auf der Steuerbordseite des Frachters herankommen zu lassen, schnell quer vo rm Bug zu kreuzen und dann das Boot in die Luft zu jagen... aber... es gab noch einen anderen, einen besseren Weg...
    »Jetzt!« Oreza drehte das Steuer um vielleicht zehn Grad, glitt nach Backbord und gewann offenbar im Nu volle fünfzig Meter. Dann drehte er das Ruder wieder zurück, hüpfte über einen weiteren Zweimeterbrecher und bereitete sich darauf vor, das Manöver zu wiederholen. Einer der jungen Seeleute johlte vor Begeisterung auf.
    »Sehen Sie, Mr. Tomlinson? Wir haben für dieses Manöver eine bessere Rumpfform als er. Er kann uns in ruhiger See um Haaresbreite schlagen, aber nicht, wenn es kabbelig ist. Dafür sind wir besser ausgerüstet.« Innerhalb von zwei Minuten hatte sich die Entfernung zwischen den Booten halbiert.
    »Sind Sie sicher, daß Sie sich ein Ende dieses Rennens wünschen, Mr. Oreza?« fragte Tomlinson.
    Er ist doch nicht so dumm. Na ja, er war schließlich Offizier, und da sollte es doch hin und wieder schlaue darunter geben.
    »Alle Rennen gehen einmal zu Ende, Sir. Es gibt immer einen Gewinner und einen Verlierer«, stellte Oreza fest und hoffte, daß sein Freund das verstand. Portagee holte aus seiner Brusttasche eine Zigarette und zündete sie sich mit der linken Hand an, während er mit der rechten - eigentlich nur den Fingerspitzen - das Rad bewegte, winzige Korrekturen ausführte, die der Teil seines Gehirns verlangte, der jede Kräuselung auf der Wasseroberfläche erkannte und darauf reagierte. Zwanzig Minuten, hatte er Tomlinson gesagt. Er war pessimistisch gewesen. Nun war er sich sicher, daß er es früher schaffen würde.
    Orezas Blick schweifte wieder über das Wasser. Es waren viele Boote draußen, die zumeist landeinwärts fuhren, doch keines bekam mit, daß hier ein Rennen lief. Der Kutter hatte keine Polizeilichter an. Oreza mochte die Dinger nicht; sie waren eine Beleidigung für seinen Beruf. Wenn ein Kutter der Küstenwache der Vereinigten Staaten längsseits kam, sollte er keine Polizeilichter brauchen, dachte er. Außerdem war dies ein privates Rennen, das nur Profis erkannten und verstanden. So, wie die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher