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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos
Autoren: Tom Clancy
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Schritt bald tun. Er stand auf, sah zu den anderen hin und streckte sich ziemlich theatralisch, bevor er auf sie zuging. Seine Jacke hatte er abgelegt, die Krawatte gelockert, und seine fünfschüssige Smith hing rechts an der Hüfte. Erschieß die Gauner einfach und rede dann mit dem Typen Kelly am Telefon. Warum nicht? Sie waren doch Ganoven, oder? Warum sollte er für etwas sterben, was sie getan hatten?
    »Was machen Sie denn da, Mark?« fragte Henry, der die Gefahr nicht witterte, weil er zu sehr auf das Fenster konzentriert war. Gut.
    »Ich mag nicht mehr sitzen.« Charon zog das Taschentuch aus der rechten Hosentasche und wischte sich das Gesicht ab, während er Schußwinkel und Entfernung zum Telefon abschätzte, wo seine einzige Sicherheit lag. Davon war er überzeugt. Es war seine einzige Chance, hier rauszukommen.
    Piaggi gefiel sein Blick nicht. »Warum setzen Sie sich nicht einfach wieder hin und entspannen sich, okay? Es wird bald einiges los sein.«
    Warum schaut er zum Telefon? Warum sieht er uns an? »Halten Sie sich zurück, Tony, verstanden?« sagte Charon herausfordernd, während er das Taschentuch wieder einsteckte. Er wußte nicht, daß seine Augen ihn bereits verraten hatten. Seine Hand hatte noch gar nicht den Revolver berührt, als Tony zielte und ihm einen Schuß in die Brust jagte.
    »Sie halten sich wohl für besonders schlau?« sagte Tony dem sterbenden Mann. Dann bemerkte er, daß der längliche Lichtstreifen, der von der Dachluke einfiel, einen Schatten aufwies. Piaggi schaute immer noch auf den Schatten, als dieser wieder verschwand und statt dessen ein verschwommener Umriß auftauchte, den er aus den Augenwinkeln kaum wahrnahm. Henry starrte auf Charons Leiche.
    Der Schuß überraschte ihn, und der naheliegendste Gedanke war der, daß er auf ihn gezielt gewesen war - aber nun kam es darauf an, und er sprang in die rechteckige Dachluke. Es war wie beim Fallschirmspringen. Halte die Füße beisammen, die Knie gebeugt, den Rücken gerade, rolle dich zur Seite, wenn du auftriffst.
    Er kam hart auf. Es war ein mit Fliesen belegter Betonboden, aber seine Beine fingen das Schlimmste auf. Kelly rollte sich sofort seitlich ab und streckte den Arm aus. Piaggi stand ihm am nächsten. Kelly hob die Waffe, richtete die Kimme auf dessen Brust aus und feuerte zweimal, zog höher und traf den Mann ein drittes Mal unter das Kinn.
    Ziel wechseln.
    Kelly rollte wieder herum; das hatte er von einem Angehörigen der NVA gelernt, auf den er einmal getroffen war. Da war der andere. In diesem Augenblick blieb die Zeit stehen. Henry hatte seine eigene Waffe gezückt und zielte. Ihre Blicke trafen sich. Eine ganze Ewigkeit, wie es Kelly schien, sahen sie sich bloß an, Jäger und Jäger, Jäger und Beute. Dann erinnerte sich Kelly als erster, was er im Visier hatte. Sein Finger drückte den Abzug und löste einen gut gezielten Schuß aus, der Tucker direkt in die Brust drang. Der Colt zuckte in seiner Hand, und Kellys Gehirn arbeitete nun so schnell, daß er den Schlitten zurückgleiten sah, der die leere Messingpatrone auswarf, und dann vorschnellte, um eine neue zu laden, gerade als die Spannung in seinem Handgelenk die Waffe wieder ausrichtete. Auch diese Kugel traf den Mann in die Brust. Tucker verlor die Balance. Entweder rutschte er auf dem Boden aus, oder der Einschlag der beiden Geschosse brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn auf die Fliesen fallen.
    Auftrag ausgeführt, sagte sich Kelly. Wenigstens hatte er nach all den Fehlschlägen dieses freudlosen Sommers eine Aufgabe erfolgreich bewältigt. Er stand auf, ging zu Henry Tucker hinüber und trat ihm die Waffe aus der Hand. Er wollte dem Gesicht, das noch lebte, etwas sagen, aber ihm fehlten die Worte. Vielleicht würde Pam jetzt in größerem Frieden ruhen, aber vielleicht auch nicht. So lief es ja nicht ab, oder? Die Toten waren weg und wußten nichts mehr, kümmerten sich auch nicht darum, was sie hinter sich gelassen hatten. Wahrscheinlich. Kelly wußte wirklich nicht, wie es ablief, obwohl er sich das oft genug gefragt hatte. Wenn die Toten sich immer noch in irdischen Gefilden aufhielten, dann im Gedächtnis derjenigen, die sich an sie erinnerten, und für diese Erinnerung hatte er Henry Tucker und all die anderen getötet. Vielleicht würde Pam nicht in größerem Frieden ruhen. Aber dafür er. Kelly sah, daß Tucker aus dem Leben geschieden war, während er nachgedacht, seine Gedanken und sein Gewissen ergründet hatte. Nein, es gab
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