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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos
Autoren: Tom Clancy
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paar Grad nach Backbord krängen ließ. Kelly adjustierte das Ruder, um es wieder aufzurichten. Der Regen kam schnell. Auf die ersten wenigen Spritzer folgten rasch dichte Streifen, die wie Vorhänge über die Oberfläche der Chesapeake Bay schleiften. Binnen einer Minute ging die Sicht auf ein paar hundert Meter zurück, und der Himmel war so dunkel, als wäre es schon spät abends. Kelly vergewisserte sich, daß seine Positionslichter an waren. Die Wellen schlugen nun wirklich hoch, von einem etwa dreißig Knoten starken Wind getrieben. Wetter und See kamen genau quer. Er entschied, daß er durchaus weiterfahren könnte, aber er war gerade an einem guten Ankerplatz, und das würde er die nächsten fünf Stunden nicht mehr sein. Kelly warf noch einen Blick auf die Karte, schaltete dann den Radar ein, um seine Position zu bestätigen. Wassertiefe drei Meter, sandiger Grund, der auf der Karte mit HRD bezeichnet war, griffiger Boden also. Er steuerte die Springer in den Wind und drosselte weiter die Fahrt, bis die Schiffsschrauben gerade genug Schub entwickelten, um gegen die treibende Kraft des Windes anzukommen.
    »Nimm mal das Steuer«, wies er Pam an,
    »Aber ich weiß nicht, was ich damit machen soll.«
    »Das geht schon. Halt es nur fest und steuere so, wie ich es dir sage. Ich muß nach vorn gehen, um die Anker zu setzen. Okay?«
    »Paß auf dich auf!« schrie sie durch den peitschenden Wind, Die Wellen waren inzwischen knapp zwei Meter hoch, und der Bug des Bootes hüpfte auf und ab. Kelly klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und ging nach vorn.
    Er mußte natürlich aufpassen, doch seine Schuhe hatten rutschfeste Sohlen, und Kelly kannte sich aus. Er behielt die Hände den ganzen Weg an den Aufbauten vorbei an der Reling, und binnen einer Minute war er auf dem Vordeck, wo zwei Anker festgemacht waren, ein Danforth und ein CQRPflugscharanker, beide ein klein wenig zu groß. Er warf erst den Danforth ins Wasser, dann signalisierte er Pam, sie solle das Steuer nach Backbord drehen. Als das Boot sich vielleicht 20 Meter nach Süden bewegt hatte, ließ er den CQR auch noch ab. Beide Trossen waren bereits auf die entsprechende Länge eingestellt, und nachdem er überprüft hatte, daß alles in Ordnung war, hangelte sich Kelly wieder zur Brücke zurück.
    Pam sah nervös aus bis zu dem Moment, wo er sich wieder auf die Vinylbank setzte - alles war nun naß vom Wasser, und ihre Kleider waren völlig durchweicht. Kelly drosselte die Maschinen auf Leerlauf und überließ es dem Wind, die Springer fast dreißig Meter zurückzutreiben. Bis dahin hatten sich die beiden Anker in den Boden gegraben. Kelly war mit ihrer Plazierung nicht ganz zufrieden. Er hätte sie weiter auseinander setzen sollen. Aber eigentlich war sowieso nur ein Anker notwendig. Der zweite diente als reine Sicherheitsmaßnahme. Zufrieden schaltete er die Dieselmotoren ab.
    »Ich könnte es auch auf der ganzen Strecke mit dem Sturm aufnehmen, aber ich lass' es lieber«, erklärte er.
    »Also parken wir hier für die Nacht?«
    »Genau. Du kannst runter in deine Kabine gehen und... «
    »Du willst, daß ich weggehe?«
    »Nein - ich meine nur, wenn es dir hier nicht gefällt... « Ihre Hand streckte sich seinem Gesicht entgegen. Durch den Wind und den Regen hindurch konnte er ihre Worte kaum verstehen.
    »Mir gefällt's hier aber.« Irgendwie schien das überhaupt kein Widerspruch zu sein.
    Einen Augenblick später fragte sich Kelly, warum es so lange gedauert hatte. Alle Anzeichen waren dagewesen. Es gab eine weitere kurze Diskussion zwischen Gefühl und Vernunft, und wieder verlor die Vernunft. Hier gab es nichts, wovor er hätte Angst haben müssen, nur einen Menschen, der genauso einsam war wie er. Es war so leicht, zu vergessen. Einsamkeit sagte einem nicht, was man verloren harte, nur, daß etwas fehlte. Erst in einem Augenblick wie diesem konnte man die Leere bestimmen. Ihre Haut war weich, tropfnaß vom Regen, aber warm. Es war so anders, als sich Leidenschaft zu mieten, was er im vergangenen Monat zweimal ausprobiert hatte. Hinterher hatte er sich jedesmal vor sich selbst geekelt.
    Das hier aber war anders. Das hier war echt. Die Vernunft rief ein letztes Mal, daß es nicht sein konnte, daß er sie vom Straßenrand aufgeklaubt hatte und sie erst eine kurze Zeit lang kannte. Das Gefühl sagte ihm, daß es nichts ausmachte. Als wisse sie um seinen inneren Widerstreit, streifte Pam das Top über den Kopf. Das Gefühl gewann.
    »Ich finde sie
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