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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit einer Kraft, die er nicht zu nutzen wusste.
    Regin seufzte. »Sieh zu, dass du dich im Bach wäschst, bevor du zum Essen ins Haus kommst.«
    Der Junge sah an sich hinunter. In der Tat war er von oben bis unten verdreckt - wie eigentlich jeden Tag. Darum trug er auch nur noch die kurzen ledernen Hosen und die geschnürten Stiefel. Regin war es leid, jeden zweiten Tag die Hemden seines Schützlings zu waschen.
    Mit federnden Schritten machte sich Siegfried auf den Weg zum Wasser, während Regin damit begann, den toten Eber aus dem Weg zu schleifen. Das Tier war ziemlich schwer, und wieder einmal fragte sich Regin, woher Siegfried seine Kraft nahm. Der Junge war mehr als das Kind seiner Eltern, so viel stand fest. Die Götter erwiesen ihm ihre Gunst und hatten anscheinend Großes mit ihm vor.
    Regin ging in sein Beihaus und rührte im Kessel den schweren, dicken Eintopf, den er seit Stunden köcheln ließ.
     
    Der kleine Bach, der unweit der Schmiede den Wald durchschnitt, war kaum einen Fußbreit tief, und sein Bett war uneben. Er gurgelte und sprudelte, als verschlucke er sich dauernd an sich selbst.
    Siegfried machte sich nicht die Mühe, seinen Körper nach und nach zu waschen. Er legte sich, so, wie er war, in den Bach hinein. Der Länge nach, mit dem Kopf gegen die Strömung, damit das Wasser nicht in seine Nasenlöcher lief.
    Es war kühl und entspannend, hier zu liegen. Das Wasser trug Schmutz und Schweiß von seinem Körper davon. Siegfried schloss die Augen, kratzte sich an dem Muttermal neben seiner linken Schulter und ließ dann seine Handflächen unter Wasser über die glatten Steine streichen.
    Er war froh, nicht in Eile zu sein. Die Sonnenscheibe berührte zwar schon den Horizont, aber in dieser Vollmondnacht würde er den Weg zurück mühelos finden. Und der Eintopf von Regin kochte sowieso für Stunden, da konnte er hier noch ruhig ein wenig ausruhen.
    Er döste ein wenig, zufrieden mit dem Tag.
    Siegfried wusste nicht, wie lange er so gelegen hatte. Seine Gedanken waren ganz weit weg, bei den Kriegern an den Höfen. In seinem Geist sah er sie auf Pferden sitzen, ihre Schwerter schwenkend. Er sah Standarten und Fahnen, Trompeter und Gaukler.
    Es gab hier im Wald nicht viel zu erleben, und Regin weigerte sich, von seiner Zeit bei Hofe zu berichten. Zu den wenigen Geschichten, die Siegfried von klein auf kannte, gehörte die seiner Mutter Line. Manchmal schien es, als würde der Schmied ihm immer wieder von seiner Mutter erzählen, weil es ihm selber half, die Erinnerung an die junge Frau nicht verblassen zu lassen. Obwohl Regin Siegfried jede Einzelheit der ersten Begegnung mit Line erzählt hatte, konnte der Junge es sich nicht vorstellen. Es war kein Gefühl da, mit dem er das Wort »Mutter« ausfüllen konnte.
    Line war eine einfache Frau gewesen, und Regin hatte sie Siegfried immer als »schlichtes Gemüt, von einfacher Schönheit« beschrieben. Ihre Eltern hatten sie wegen einer Liebelei verstoßen, und nur Regin hatte die Gnade besessen, sie als Magd zu sich zu nehmen. Da war sie schon schwanger mit Siegfried gewesen. Sie war bei seiner Geburt gestorben und hatte Regin noch auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, aus ihrem Sohn einen guten Schmied zu machen.
    Eine gewöhnliche, anspruchslose Frau war sie gewesen. Und Siegfried, obwohl er sich der Frau aus den Geschichten nicht verpflichtet fühlte, wollte das Versprechen ehren, das gegeben worden war.
    Es ging ihm dabei um Regin. Der kleine Mann, über den die Dörfler tuschelten, dass er nicht älter werden wollte, hatte ihm den Vater und die Mutter ersetzt. Er hatte ihm die Kunst des Schmiedens und die Geschicklichkeit bei der Jagd beigebracht. Er hatte ihn besser behandelt als die meisten leiblichen Söhne, die Siegfried aus dem Dorf kannte. Er war dankbar und entschlossen, diese Dankbarkeit durch Treue zu entgelten.
    Aber es brannte in ihm, heiß und wild. Manchmal zuckten seine Beine, als wollten sie am Boden scharren wie ein Pferd, das wegzulaufen gedenkt.
    Etwas piekste ihn in die Brust. Ganz sacht.
    Das war seltsam. Es konnte kaum ein Tier des Waldes sein, denn die hielten sich von Siegfried fern. Und die Stechmücken mieden das Wasser des Flusses, um sich an einem Reh leichtere Blutbeute zu holen.
    Der Stich auf und in seiner Brust wurde fester - und schmerzhafter. Siegfried öffnete die Augen.
    Der Himmel war schon dunkelgrau erblasst, und die dichten Baumwipfel wehrten die letzten verirrten Sonnenstrahlen ab. Es war nicht
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