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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vergraben.
     
     
2
     
Siegfried und der Fluch des Blutes
     

     
    Die Äste peitschten in Siegfrieds Gesicht, und der Waldboden erzitterte unter einem dumpfen Poltern, wann immer seine Füße ihn wie Hämmer einen Amboss trafen. Dornen rissen Haare von seinem Kopf, aber er beachtete es nicht. Sein Blut kochte, und in den Ohren hörte er nur seinen eigenen dröhnenden Herzschlag.
    Licht und Schatten wurden zu fließenden Linien, die an seinen strahlend blauen Augen vorbeischossen, als habe Siegfried den Weg nach Asgard gefunden.
    Seine muskulöse Brust hob und senkte sich mit jedem Atemzug, und wann immer er einen am Boden liegenden Baumstamm mit einem mächtigen Satz übersprang, breitete er die Arme wie ein junger Adler aus.
    Siegfried rannte so schnell wie keiner, den er kannte -und doch hatte er das Gefühl, noch lange nicht an die Grenzen seiner Kraft gegangen zu sein.
    Der Eber war jetzt in wilder Flucht, schlug Haken, suchte ein Versteck, das für seinen Verfolger zu klein war. Aber seine letzte Stunde hatte bereits geschlagen, als Siegfried ihn auf dem Rückweg aus dem Dorf entdeckt hatte.
    Weiter vorn nahm der Jäger eine armdicke Wurzel wahr, die in einem hüfthohen Bogen aus dem Boden ragte und auch wieder in ihm verschwand.
    Das war der richtige Ort! Siegfried beschleunigte seine Schritte noch ein wenig und kam dem Wildschwein so nahe, dass er dessen Schwanz fast mit der Hand greifen konnte.
    Der Eber tauchte unter dem Wurzelbogen durch. Siegfried stieß sich vom Boden ab und sprang mit beiden Füßen auf das Holz, das sich unter seinem Gewicht durchbog. Dann drückte er die Beine durch und wurde wie von einem Bogen durch die Luft geschleudert. Ein paar Herzschläge lang schien er zu fliegen, und er genoss das Gefühl der unendlichen Freiheit, die darin lag. Dann prallte sein starker Körper auf den Eber und riss ihn um. Sie rutschten noch ein paar Schritte über den Waldboden.
    Das Tier versuchte nun, Siegfried mit seinen Hauern zu erwischen und sich freizustrampeln. Es schlug wild mit den Klauen aus, die leicht die Knochen eines Mannes zu brechen vermochten.
    Siegfried empfand Freude bei der Jagd, und der Sieg über das kräftige Wildschwein war wie ein Rausch. Aber ihm lag nichts daran, den Eber über Gebühr zu quälen. Mit dem rechten Arm griff er unter den Hals des Tieres, und mit dem linken packte er die geifernde Schnauze. Dann brach Siegfried seiner Beute mit einem schnellen Ruck das Genick. Die Beine des Wildschweins zuckten noch ein wenig. Dann lag es still.
    Siegfried stand keuchend auf, zufrieden mit der ganzen Welt. Er wuchtete sich die Beute auf den Rücken und machte sich auf den Weg zur Schmiede.
    Es war nicht mehr weit. Nach einer knappen halben Stunde konnte er den künstlichen Hügel der Schmiede und die beiden Beihäuser erkennen.

    Als er an dem kleinen Steinhaufen vorbeikam, der nur ein paar Schritte von seinem Beihaus entfernt stand, hielt Siegfried kurz inne, wie er es immer tat. »Sei gegrüßt, Mutter.«
    Dann ging er weiter ... Es war eine Geste des Respekts, aber keine Trauer lag darin. Warum auch? Siegfried hatte seine Mutter nie kennen gelernt.
    Regin hatte seine Arbeit unterbrochen, als er Siegfried kommen hörte. Die Ohren des kleinen Schmieds waren wirklich vortrefflich, und es war anzunehmen, dass er an der Schwere der Schritte erahnt hatte, was sein Schützling herbeischleppte.
    Siegfried hievte das Schwein von seiner Schulter und warf es vor Regin, der aus der Schmiede kam, auf den Boden.
    »Noch ein Eber?«, knurrte Regin missmutig.
    »Ein prächtiges Tier.« Siegfried grinste. »Es hat einen fairen Kampf bekommen.«
    Regin trat auf Siegfried, den er wie seinen eigenen Sohn aufgezogen hatte, zu - und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Nicht stark, aber stark genug, um sein Missfallen auszudrücken. »Der dritte Eber diesen Monat! Dazu ein Bär. Viele Füchse. Hasen ohne Zahl.«
    »Ich bin ein Krieger, und Krieger müssen viel essen!«, tönte Siegfried.
    Regin grinste schief. »Um ein Krieger zu sein, braucht es einen Mann. Und du bist kaum vierzehn Jahre alt. Außerdem haben wir mittlerweile Vorräte für die nächsten drei Winter. Wie soll ich einen weiteren Eber unterbringen? Du wirst ihn vergraben müssen, damit er keine Raubtiere anzieht.«
    Siegfried lachte, und es war dieses Lachen, das ihn so unwiderstehlich machte. Er war stark, schön, tapfer - und kaum noch zu bändigen. Die Stärke eines Kriegers und der Wille eines Königs erfüllten ihn
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