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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche
Autoren: Franc Helgath
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Er ließ es zu, dass die Degenspitze sich dem Medaillon näherte. Bald würden zwei gegenpolige Kräfte aufeinandertreffen. Wie zwei starke umgedrehte Magneten, die auch nicht zusammenzubringen waren.
    Dieser Gedanke schoss Zamorra noch durch den Kopf. Er wollte zurück, wollte der Berührung ausweichen.
    Doch da war es schon zu spät.
    Wie ein Donnerschlag traf ihn eine Druckwelle, als Degen und Silber sich für einen Sekundenbruchteil berührten. Zamorra fühlte sich emporgehoben und durch die Luft geschleudert. Er wusste nicht mehr, wo oben war und wo unten. Ein Feuerball explodierte vor seinen Augen. Verschwunden waren der Ghul, sein makabres Gefolge, die Tschechen und Nicole.
    Da war nur mehr tiefe, unauslotbare Schwärze um ihn herum, die ihn aufzusaugen schien, um ihn nie mehr freizugeben.
    ***
    Vlado schnitt bei diesem ungleichen Duell besser ab. Zwar zeigte auch er Wirkung, doch er verlor das Bewusstsein nicht, weil seine Natur mit der menschlichen nicht zu vergleichen war. Sein Körper vertrug den Schock der Berührung zweier verschiedener Materien besser.
    Der Stahl des Degens war beim Antippen des Amuletts zu einem unförmigen Klumpen zusammengeschmolzen. Der Todesfürst schleuderte die Überreste mit einer Geste des Abscheus von sich.
    Missmutig schaute er hinüber zum Torbogen, der sich über dem Zugang zur Zugbrücke wölbte. Dort lag der bewusstlose Zamorra, Arme und Beine weit von sich gestreckt, und er lag in einer verkrümmten Haltung.
    Vlado ging hinüber und stieß mit einem Fuß gegen den Mann. Ein geringschätziges Grinsen hatte sich in seiner unteren Gesichtshälfte eingenistet.
    »Hoffentlich verreckst du daran, Zamorra«, kam es hohl aus seinem Mund, »Ich kann dich zwar nicht berühren, aber deine Kopfverletzung stammt vom Sturz. Vielleicht hole ich dich morgen Nacht. Wenn du tot bist, Zamorra. Du hast mir Glück gebracht. Meine Kammern sind wieder gefüllt. Auf lange Zeiten. Sechzehn Opfer habe ich jetzt. Die Zeiten des Darbens sind vorüber. Ich werde noch mehr Diener bekommen…«
    Dann wandte der Ghul sich um. Seine Gefolgschaft umstand ihn immer noch schweigend. Etwas wie Ehrfurcht und Bewunderung lagen in ihren schemenhaften Mienen.
    Burko, der einäugige Gnom, ließ seiner Begeisterung als erster freien Lauf. Mit bizarren Sprüngen kam er auf seinen Herrn zugehoppelt, sein kurzes Bein nachziehend und den Rücken gebeugt.
    »Fürst!«, frohlockte er. »Feiern wir heute unser großes Fest? Ist es jetzt endlich soweit?«
    Der Leichenfürst nickte huldvoll.
    »Ja, Burko. Es ist soweit. Bereitet alles vor. Es soll ein Fest werden, wie die ganzen Jahrhunderte vorher nicht mehr.«
    Burko brach in ein kreischendes Jauchzen aus. Es klang, als würde Blech gegen Blech reiben.
    »Darf ich sie alle töten, Fürst?«, flüsterte er hechelnd vor Gier.
    »Wir wollen nichts übereilen«, antwortete Fürst Vlado in einem Anflug von Missmut. »Du wirst dich etwas zurückhalten, Burko. Warum sollten wir die Freuden, die auf uns warten, nicht hinausdehnen? Ich halte nichts mehr von diesen kurzen, rauschhaften Vergnügen. Führe die Gefangenen hinunter. Wir beginnen um Mitternacht.«
    »So spät?«, bemängelte der Gnom, enttäuscht. Ein derber Tritt seines Herrn brachte ihn zum Schweigen.
    ***
    Die Glocke im Turm des Gemeindehauses von Zeleznâ Ruda schlug zwölf Mal. Früher hatte sie in der Kirche des Dorfes die Zeit angegeben. Bis die Uhr nach dem Krieg ausgebaut und im Gemeindehaus installiert wurde. Die Kirche verfiel seither.
    Benutzt wurde nur mehr der Friedhof, der sich dahinter zum Ortsrand hin erstreckte. Die Gräber stammten alle aus jüngerer Zeit, denn es hatte Jahre gegeben, in denen kaum Bewohner dieser Gegend eines natürlichen Todes gestorben waren. Ihre Körper verschwanden und tauchten nie wieder auf.
    Auch heute, den ganzen Tag über war die Stimmung in der 500-Seelen-Gemeinde bedrückt gewesen. Außenstehenden wie den Leuten vom Staatssicherheitsdienst fiel das vielleicht nicht auf, denn die Menschen in diesem Land waren wortkarg.
    Sie hatten sich kaum darüber unterhalten, dass einige unter ihnen vom letzten Grenzgang nicht zurückgekommen waren. Pavel Zapotoky, Kuras, Basci, und wie sie alle hießen.
    Verstohlen hatte der eine oder andere zur Burgruine hinaufgeblickt und heimlich ein Kreuz geschlagen, auch wenn es schon seit dreißig Jahren keinen Priester mehr in Zelezná Ruda gab und im ehemaligen Pfarrhaus ein Politkommissar residierte, der die Landarbeiten überwachte und die
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