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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche
Autoren: Franc Helgath
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Stirn vor sich ging. Er streckte einen knochigen Zeigefinger aus. Der Nagel war fast so lang wie der ganze Finger. Er zeigte damit auf Zamorras Brust, an der das Zaubermedaillon unter dem Revers hervorlugte.
    »Ich sehe, Sie haben mir ein Gastgeschenk mitgebracht«, kicherte er irr. »Das war außerordentlich nett von Ihnen. Das Amulett Leonardo deMontagnes, nehme ich an. Wundern Sie sich nicht, Sterblicher. In unseren Kreisen hat dieses vermaledeite Stück Silber schon einen gewissen schlechten Ruf erworben. Es ist an der Zeit, dass es in die richtigen Hände gerät. In meine Hände. Übergeben Sie das Amulett vertrauensvoll an mich. Sonst muss ich es mir holen.«
    Beim letzten Satz war alle aufgesetzte Freundlichkeit aus seiner Stimme verschwunden. Hasserfüllt hatte er die Worte ausgestoßen.
    Gier leuchtete aus seinen Kohleaugen. Auch Angst?
    Zamorra wagte nicht, das zu entscheiden. Ghuls waren Wesen einer eigenen Art. Es gab kaum Literatur über diese schrecklichste Abart aller Dämonenwesen, und er selbst war Kreaturen aus Vlados Stamm bisher kaum begegnet. In diesen Sekunden hätte er weiß was dafür gegeben, wenn er auf einige Erfahrungen hätte zurückgreifen können.
    So aber konnte er nur abwarten. Immerhin - er war nicht in Trance verfallen. Er konnte über seinen Körper frei verfügen. Vlado hatte es bisher noch nicht fertiggebracht, ihm seinen Willen aufzuzwingen.
    Probehalber öffnete und schloss Zamorra seine Hände. Wenn ihn kein Trugbild narrte, bewegte sich die Hand.
    Auch glaubte er, noch die Umrisse der Ruine in den neuerstandenen Wänden zu erkennen. Ein seltsamer, ein ungewohnter Anblick. Gerade so, als hätte man zwei verschiedene Diapositive zusammen und deckungsgleich auf eine Leinwand projiziert.
    Hatte Zamorra sekundenlang verständliche Angst vor dem Ungewohnten empfunden, so gewann er jetzt seine Kaltblütigkeit zurück. Noch hatte er das Amulett, und es flößte ihm Vertrauen ein. Plötzlich wusste er, dass Vlado ihm nichts anhaben konnte. Mit dieser Sicherheit fand er auch die Sprache wieder.
    »Du kannst dir das Amulett holen, Vlado«, sagte er mit zusammengepressten Zähnen. »So allmächtig, wie du tust, bist du nämlich gar nicht. So hol’s dir doch!«
    Zamorra ging einen Schritt auf den Ghul zu. Die Bartspitze des Geistwesens zitterte. Vlado ließ die bereits ausgestreckte Hand wieder sinken.
    Doch er wich vor Zamorra nicht zurück. Zumindest vorerst nicht. Der Dämonenjäger näherte sich einen weiteren Schritt.
    Jetzt verzerrten sich die Züge des Ghuls. Sein breiter Mund klaffte auf, und Zamorra wehte fauliger Atem entgegen. Der Dämonenjäger fixierte den Gegner mit einem gnadenlosen Blick. Hart traten seine Wangenknochen hervor.
    »Nun, Vlado? Warum holst du dir das Amulett nicht? Vielleicht drücke ich es dir jetzt nochmals auf die Stirn. Mal sehen, was um diese Stunde passiert…«
    Ein leichtes Zucken in Vlados Mundwinkel verriet Zamorra, dass auch dieser Versuch vergeblich sein würde. Das Amulett nützte ihm nur so lange, wie er es bei sich behielt. Das Silber würde dem Ghul nichts anhaben können.
    Auch diesmal nicht.
    Der Leichenfürst schien irgendeine Teufelei auszuhecken. Zamorra blieb stehen, nachdem Vlado nicht dazu zu bewegen gewesen war, vor ihm zurückzuweichen.
    Zamorra fühlte sich hilflos und dabei voller Tatendrang. Das Schrecklichste war für ihn, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Er kam diesem Wesen einfach nicht bei.
    Inzwischen hatten die anderen durchscheinenden Schemen sie umringt. In einem großen Kreis standen sie um die Gefangenen herum. Auch Nicoles Gesicht war zu einer inhaltslosen Maske geworden, wie Zamorra mit einem schnellen Seitenblick erkannte. Sie hatte sich genauso apathisch in ihr Schicksal ergeben, wie die Soldaten und ihr Leutnant auch. Waffen und mitgeführte Gerätschaften standen herum. Die Scheinwerfer brannten nicht mehr. Irgendeine dieser Gestalten musste sie ausgeschaltet haben. Zamorra hatte gar nichts davon mitbekommen.
    Der Leichenfürst grinste ihn satanisch an. Er zog seinen Degen. Der Stahl wies rostrote Flecken auf.
    Eingetrocknetes Blut.
    »Warum machst du nicht weiter, Magier?«, fragte er gehässig. »Hat deine Sicherheit dich so schnell wieder verlassen? Wie wenig muss dieses Amulett doch wert sein. Ich lege keinen Wert mehr darauf. Du kannst es behalten, Zamorra. Es schützt dich. Das stimmt. Aber es schützt die junge Frau nicht und auch nicht all die anderen. Sie gehören jetzt mir…«
    Zamorra stand starr.
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