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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche
Autoren: Franc Helgath
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Strömungen aus dem Zwischenreich empfindlicher ein als ein Seismograph ein Erdbeben. Dann warnte es seinen Besitzer, indem es sich erwärmte. Das magische Amulett schien ein Eigenleben zu führen. Professor Zamorra erkannte das Zeichen wohl.
    Er drückte Nicole noch ein wenig fester an sich. Die junge Frau zitterte.
    Zamorra passte nicht genug auf. Als er Nicoles tastende Hand im Inneren seines Mantels spürte, war es schon zu spät.
    »Es ist heiß!«, rief Nicole entrüstet. »Du hast mich belogen, Chef! Dein Amulett ist heiß wie eine Ofenplatte!«
    Nicole Duval wusste natürlich, welche Bewandtnis es mit diesem magischen Medaillon hatte. An Zamorras Seite hatte sie schon zahllose Abenteuer mehr oder weniger glücklich überstanden.
    »Hängt es mit diesem Vlado zusammen, Chef?«
    »Ich bin nicht allwissend«, brummte Professor Zamorra gereizt zurück. Jurai Cup zählte zwar nicht zu seinem engsten Bekanntenkreis, aber er würde sich schuldig fühlen, wenn dem Schlaf-Forscher aus Prag durch sein Entgegenkommen etwas nie Vorhersehbares zugestoßen wäre. Zamorra hatte die Flucht dieses Mannes eingeleitet. Nicht Jurai Cup.
    Nicole zog ihre Hand zurück.
    »Nicht böse sein, Chef. Bitte. Aber in mir wächst auch langsam eine Art sechster Sinn heran. Das macht der Umgang. Dieser Schrei war wirklich. Ich fühle es mit allen Fasern. Und er hat etwas mit dieser blutigen Legende zu tun. Widersprich jetzt nicht. Das war nicht der Sturm. Das war auch kein Mensch, der so geschrien hat…«
    Zamorra seufzte. Er konnte Nicole nichts mehr vormachen. Sie beide waren schon so sehr zusammengewachsen, dass sie manchmal sogar dieselben Gedanken dachten. In Situationen wie dieser waren sie sich telepathisch verbunden. Zamorra stellte das nicht zum ersten Mal fest. Nicole hatte ausgesprochen mediale Fähigkeiten, und nicht selten waren sie einer Gefahr nur deshalb noch in letzter Sekunde entronnen.
    Und trotzdem ärgerte Professor Zamorra sich in diesen Sekunden.
    In diesem Fall wäre es ihm lieber gewesen, Nicole wäre taub. Denn hier braute sich etwas zusammen, das dicker sein musste als jede Suppe, die ihnen je vorher vorgesetzt wurde.
    Plötzlich roch die kalte Novemberluft nach Angst und Tränen, nach Schweiß und Panik.
    Nach Verwesung. Und nach Blut…
    ***
    Eine knappe Minute später drängte Nicole sich nochmals an Professor Zamorra. Sie hörte wieder etwas. Zamorra auch.
    Entweder ein Tier oder ein Mensch brach unweit von ihnen durchs Unterholz.
    Da hörten sie auch schon die schweren, hastigen Atemzüge, ein Ächzen und ein Stöhnen links von ihnen. In dieser Richtung lag die tschechische Grenze.
    Zamorra packte Nicole am Arm und zog sie in die Deckung der Büsche, die das Flussbett säumten. Jurai Cup war schon seit fast einer halben Stunde überfällig. Zamorra glaubte nicht mehr, dass er kam. Sein Medaillon ließ ihn nicht mehr daran glauben. Jenseits des Eisernen Vorhanges mussten sich grässliche Dinge abgespielt haben.
    Würden sie jemals Näheres darüber erfahren?
    Unweit von ihnen, auf der anderen Seite des Bachlaufs, stürzte eine wankende Gestalt aus dem Wald, ruderte wild mit den Armen und fiel über einen Stein. Kieselsteine rutschten die Rinne herab.
    Der Mann blieb liegen.
    Zamorra wartete ab.
    Sein Medaillon? Es hatte sich wieder leicht abgekühlt. Da vorne lag ein Mensch. Kein Wesen, das nicht aus Fleisch und Blut gewesen wäre. Vor ihm brauchten sie keine Angst zu haben.
    Der Kleidung nach handelte es sich um einen Mann.
    Zamorra wartete einige Sekunden, ob sich noch mehr tat, dann schaltete er seine Taschenlampe ein. Der Lichtkegel streifte über den Liegenden.
    Sofort wirbelte der herum, stützte sich auf die Ellbogen hoch und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Zamorra glaubte, beginnenden Wahnsinn heraushören zu können. Die Stimme schnappte über.
    Der Mann warf sich wieder herum und begann, das Flussbett hinaufzukrabbeln. Wie ein Kettenhund, der sich gegen seine Fesselung stemmt.
    Unverständliche Worte erklangen in einer fremden Sprache. Zamorra erkannte das Tschechische. Verstehen konnte er nichts. Er war zwar sehr polyglott, aber tschechisch hatte er nie gelernt. Seine Kenntnisse reichten allenfalls aus, sich in einem Hotel ein Zimmer zu bestellen und die Speisekarte zu lesen.
    »Du bleibst hier!«, zischte er Nicole zu, ehe er aus seiner Deckung sprang.
    Knapp zwanzig Meter waren es bis zum hilflos Brabbelnden, Wimmernden, Fliehenden. Zamorra hastete ihm mit großen Sätzen nach,
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