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0091 - Lucifers Bücher

0091 - Lucifers Bücher

Titel: 0091 - Lucifers Bücher
Autoren: Kurt Brand
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hatten.
    Aber es kam noch schlimmer. Es wurde noch unfaßbarer.
    Die Alte machte eine lässige Handbewegung, und das pulsierende Kobaltblau verschwand. Doch dadurch wurde es um den Römer und die Alte herum nicht dunkler. Die Sicht blieb erstklassig. Wie am hellichten Tag. Und die Alte ging und ließ den anderen stehen, der hatte fliehen wollen.
    Sie ging in die Grotte, die sie, Trifallini und Mente, so gesucht hatten.
    Und an diesem Römer vorbei ging ihr gesuchter Professore. Und auch in die Grotte hinein.
    Und dann blickten sich die beiden Beamten von der Polizia stradale an, und beide fragten den anderen wie im Chor: »Verstehst du das?«
    Als sie wieder zur Grotte blickten, verstanden sie noch weniger.
    Sie konnten sie nicht mehr sehen.
    Dort hinten war es so dunkel wie überall in Kampanien.
    Dort hinten war ihr Professore in der Grotte verschwunden, und den durften sie doch mit der alten Hexe nicht allein lassen!
    ***
    Wie gedankenverloren stand Professor Zamorra in der Grotte der wahrhaftigen Bücher und blickte in das Feuer, das aus einem Spalt im felsigen Boden herauskam. Das schwere Dreibeingestell darüber trug an massiven, kurzen Ketten einen rußschwarzen, schmiedeeisernen Kessel, in dem Wasser kochte.
    Darauf ging Zamorra zu, warf einen Blick in den Kessel und erstarrte.
    Etwas Unsichtbares hatte ihn mitten hinein ins Gehirnzentrum getroffen, und das Unsichtbare hielt Teile dieses Zentrums gnadenlos fest.
    Zamorra krümmte sich unter unerträglichen Schmerzen. Er wollte schreien wie ein waidwundes Wild, aber kein Ton kam über seine blaß gewordenen Lippen. Er mußte in den Kessel hineinblicken. Er konnte den Kopf nicht abwenden, um etwas anderes zu sehen. Er hatte sich anzuschauen, was sich im leicht kochenden Wasser widerspiegelte.
    Der Parapsychologe hielt sich den Kopf fest, preßte die Hände gegen seine klopfenden Schläfen. Sein Atem ging schwer und tief, als würde er ätzende Gase einatmen. Die Augen begannen ihm zu tränen. Die nach Schwefel riechenden Flammen aus dem Felsspalt leckten nach ihm, konnten ihn aber nicht erreichen.
    Er sah nicht Sibylle von Cumae auf der anderen Seite des Feuers stehen und ihn aus glühenden Augen anblicken. Von einer strahlend jungen Frau, die in Schönheit schwelgte, hatte sie sich wieder in eine hexische Meduse verwandelt - in ein Weib, das mit Lust mordete.
    Und er sah im leicht kochenden Wasser Morde!
    Mit dem ersten Blick hatte er begriffen, was Sibylle von Cumae ihm zeigte.
    Er sah die Ermordung der Comtessa Anna Verazzi durch die drei Jahre vorher verstorbene Immaculata Deladio vor ihren fünf Damen der Florentiner Gesellschaft, die sie zum Kaffeeklatsch eingeladen hatte.
    Er sah die tote Imma Deladio im langen, weißen Gewand aus dem Gobelin heraustreten, den Dolch in der Hand, den man ihr als Grabbeigabe mitgegeben hatte, und unter dem haßerfüllten Aufschrei: »Du Hure hast meinen Sohn verdorben!« stieß sie der wie gebannt stehenden Comtessa den Dolch in die Brust.
    Mit dem Tod der Comtessa löste sich die üppige Tote in Luft auf und verschwand. Vier schreiende Frauen verließen fluchtartig das Mordzimmer; um die ohnmächtige fünfte Besucherin Ina Gumor bemühte sich niemand.
    Das mörderische Szenenbild stand. Das Wasser im Kessel wallte auf, und das Bild darin verging. Zamorra konnte die Seherin von Cumae wieder anschauen. Es wunderte ihn nicht, nirgendwo eine in strahlender Schönheit junge Frau zu sehen.
    »Laß das Amulett los, Zamorra!« befahl Sibylle mit knöcherner Stimme. »Es kann dir doch nicht mehr helfen!«
    Er ließ es los, und es baumelte vor seiner Brust an der Kette.
    Stickiger Qualm in der Grotte zwang ihn zu husten. Ihr schien der beißende Rauch, der alles schwarz verrußt hatte, nichts auszumachen.
    »Blick in das Wasser, Zamorra!«
    Er gehorchte wie jemand, der unter Hypnose steht. In ihm war jede Kraft zum Widerstand erloschen.
    Er sah Morde an fünf florentinischen Frauen - an den Frauen, die Augenzeuginnen von der Ermordung der Comtessa gewesen waren. Sie waren hier, hier in dieser Grotte, ermordet worden!
    Und die Mörderin dieser Frauen stand auf der anderen Seite des Feuers!
    Er hörte die Schreie der vor Angst halb wahnsinnigen Frauen. Er hörte ihr vergebliches Flehen, ihr Leben zu schonen.
    »Was habe ich dir denn getan? Was denn? Warum willst du mich umbringen? Warum denn, du widerwärtiges Ungeheuer, du Satansweib?« schrie die blondmähnige Ina Gumor mit tränenlosen Augen, knieend vor der toten Rosetta Calloni,
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