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0091 - Lucifers Bücher

0091 - Lucifers Bücher

Titel: 0091 - Lucifers Bücher
Autoren: Kurt Brand
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Quintos üblich war, saß er mit der siebenköpfigen Familie an der Mittagstafel. Auch der jüngste Sohn des Hausherrn, Vito, erst dreiundvierzig Jahre jung, richtete sich nach den Tischsitten und sprach kein Wort. Wortlos servierten drei hübsche Florentinerinnen, und wortlos, aber dominierend, kommandierte der greise Butler diese Schönheiten Toscanas mit seinen Blicken.
    Zamorra genoß diese Herrlichkeiten jedesmal von neuem, und nicht zuletzt den köstlichen Wein.
    Dann war das Mahl zu Ende und Angelo Quinto hob die Tafel auf. Darauf hatten seine drei Söhne gewartet. Vito verzichtete darauf, den Raum zu verlassen, und rauchte. Den strafenden Blick seiner Mutter übersah er. Er schaute den Professor an.
    »Haben Sie auch schon von unserem Hellseher Domdonar gehört, der vor einiger Zeit Rom verlassen hat und nun halb Toscana von einer Aufregung in die andere stürzt?«
    »Domdonar?« wiederholte Zamorra den Namen. »Nein, nie davon gehört. Wahrscheinlich eine Eintagsfliege, Signore Vito.«
    Der jüngste Quinto, ein Ebenbild seines Vaters, schüttelte energisch den Kopf. »Domdonar kann mehr als ein gewöhnlicher Hellseher. Er besitzt magische Kräfte. Er soll über eine unheimliche Ausstrahlung verfügen.«
    Im gleichen Moment war in Zamorra der Parapsychologe wach geworden.
    »Magische Kräfte? Starke und unheimliche Ausstrahlungen? Wissen Sie mehr darüber, Signore Vito?«
    Der wartete mit unglaublichen Behauptungen auf. Darüber hatten beide nicht bemerkt, daß die Tafel abgeräumt und der letzte den großen Raum verlassen hatte. Vom Lärm auf der Via Por San Maria war hier nichts zu hören. Die meterdicken Mauern und die Doppelfenster sorgten dafür, daß der Straßenlärm draußen blieb. Ebenso wie Hitze oder Kälte.
    »Er tauchte vor drei Jahren in Rom auf. Niemand will sagen können, woher er kommt. Sein Alter ist nicht abzuschätzen. Er kann ebensogut zwanzig wie fünfzig sein. In den ersten beiden Jahren seines Rom-Aufenthaltes waren seine Erfolge als Hellseher nicht besonders groß. Nur wenige sprachen über ihn, aber dann ging er auf wie ein Komet. Sie haben wirklich noch nie etwas von Domdonar, dem größten Hellseher, gehört, den Italien jemals aufzuweisen hatte, Professore?«
    Und weil dem so war, beschloß Zamorra, sich einmal diesen Hellseher anzusehen.
    »Wo wohnt er? In der Via Delle Terme? Das ist ja gleich um die Ecke.«
    Dem war so.
    ***
    Domdonar liebte das geheimnisvolle blaue Dunkel.
    Hinter seinem Rücken schimmerte es weich, aber das Licht reichte keinen Meter weit. Der kobaltblaue Schein war nicht einmal in der Lage, die Umrisse seines Körpers deutlich zu machen, obwohl er im Gegensatz zu den meisten Magiern keine dunkle Kleidung trug, sondern ein weißes, burnusähnliches Gewand, dem die Kapuze fehlte.
    Wie der Raum eingerichtet war, in dem er seine Kunden empfing, war nicht zu sehen. Aber Arm- und Rückenlehnen des Sessels, in dem die Ratsuchenden Platz nahmen, leuchteten weich im dunklen Kobaltblau.
    Eine Dame saß darin, Comtessa Anna Verazzi, eine üppige Vierzigerin, die Männer über zwanzig nicht mochte, weil sie ihr zu alt waren. Sie brauchte junges Blut. Jede Nacht. Und immer anderes Blut. Warum auch nicht? Seit ewigen Zeiten waren die Frauen aus dem fürstlichen Geschlecht der Verazzis männerverschlingende Ungeheuer gewesen.
    Diese herrlichen Gedanken an dieses ewig neue Spiel waren der Comtessa Anna Verazzi nun vergangen.
    »Du wirst morgen sterben, Anna«, hatte ihr gerade Domdonar mit seiner hartklingenden gutturalen Stimme gesagt. »Eine Frau wird dich umbringen. Eine Frau, die ein Jahr älter ist, als du es bist. Deine Mörderin heißt Immaculata Deladio und…«
    Da lachte ihm Comtessa Anna ins Gesicht, stand schon, warf ihm fünf Zehntausender zu und sagte dann voller Verachtung: »Domdonar, Sie sind ein Scharlatan, ein Schaumschläger, denn die Frau, die mich ermorden soll, ist seit drei Jahren tot. Buon Giorno, Signore Domdonar.«
    Er rührte sich nicht.
    Er ließ sie gehen.
    Er sagte in das blaue Dunkel hinein: »Laß jetzt Alfonso Lasso eintreten.«
    Die fünfzigtausend Lire lagen unbeachtet auf dem Tisch.
    ***
    Comtessa Anna Verazzi war weiß vor ohnmächtiger Wut und zeigte sie ihren fünf Gästen unverhüllt.
    »Gracia hat sich an Benito herangemacht?« zischte sie die blondmähnige Ina an, die auch nicht mehr taufrisch war. »Dieses Biest wagt es, mir den Jungen auszuspannen? Gerade die? Oh… der werde ich es zeigen. Die soll mich kennenlernen, diese…
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