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0091 - Lucifers Bücher

0091 - Lucifers Bücher

Titel: 0091 - Lucifers Bücher
Autoren: Kurt Brand
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diese…«
    Ihr Blick wurde starr und schien sich an der Wand, an der der wertvolle Gobelin hing, festzubrennen. Ihre fünf Gäste, die um den runden Tisch saßen, der mit florentinischem Gebäck überladen war, schickten ihren Blick in die gleiche Richtung.
    Keine einzige Frau schrie. Eine jede war der Ohnmacht nahe. Grauenhafte Angst schnürte ihnen die Kehle zu.
    Der Gobelin lebte.
    Er verlor seine Farben.
    Er blaßte aus.
    Bleiches Weiß dominierte. Ein Weiß, das Form annahm.
    Die Umrisse einer üppig gebauten Frau in einem langen, weißen Gewand.
    Eine Frau in einem Totenhemd?
    »Nein, nein. Das nicht…! Nein…«, stammelte Comtessa Verazzi, die plötzlich an die Prophezeiung des Magiers Domdonar denken mußte. »Nein, Imma, ich habe deinen Sohn nicht verdorben!«
    Ihr Schrei schien dem Gespenst im Gobelin Leben einzuhauchen.
    Eine Frau trat aus der Wand. Eine Frau mit einem Dolch in der Hand, dessen Klinge im hellen Tageslicht blitzte.
    Die Gäste der Comtessa waren dem Wahnsinn nahe, aber keine besaß noch die Kraft, sich zu erheben, um dem fürchterlichen Spiel zu entfliehen.
    Dann spielte sich alles blitzschnell ab.
    Immaculata Deladio trat aus der Wand, trat aus dem Gobelin und zerriß ihn dennoch nicht, denn hinter ihr wurde er wieder existent und leuchtete in seiner alten Pracht.
    »Du Hure hast meinen Sohn verdorben!« schrie Immaculata Deladio, die vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.
    Sie stieß den Dolch in die Brust der Comtessa, die wie gebannt in ihrem Sessel gesessen und sich nicht mehr hatte rühren können.
    Ohne einen Laut über die Lippen zu bringen, fiel ihr Kopf zur Seite, und dann kippte sie aus dem Sessel. Der wertvolle Perser fing sie auf.
    Die Edelsteine im Griff der Mordwaffe funkelten.
    Comtessa Anna Verazzi lebte nicht mehr.
    »Die Imma…! Die Imma…!« schrie jetzt eine der Besucherinnen auf und schlug die Hände vors Gesicht.
    Kälte breitete sich aus, obwohl es Hochsommer in Florenz war.
    Die Frau im Totenhemd, deren Blick kein Leben besaß, begann, sich in der Luft aufzulösen.
    Lautlos.
    Gestank breitete sich aus.
    Die blondmähnige Ina Gumor wurde ohnmächtig. Sie erlebte den Schlußakt des blutigen Schauspiels nicht mehr mit.
    »Hure…«, klang es kaum vernehmbar aus dem Gespenstermund, und in diesem Verklingen verschwand die weibliche Gestalt im weißen Totenhemd.
    Die Edelsteine im Griff der Mordwaffe glitzerten im hellen Tageslicht.
    Ein Blutfleck, der langsam größer wurde, verdarb den kostbaren Perser.
    Schreiend rannten vier Frauen aus dem Mordzimmer. Niemand machte den Versuch, die ohnmächtige Ina Gumor hinauszuschleppen.
    ***
    Professor Zamorra saß in dem kleinen Café »Luna« an der Piazza Della Signoria und trank einen Ramazotti. Sein Blick glitt achtlos über den großen Platz mit seinem geschäftigen Treiben. In seinen Gedanken war er im Haus der reichen Quintos und ihren Bücherschätzen. Gegen jede Erwartung war er bisher nicht fündig geworden, und in Gedanken fragte er sich, ob Kurienkardinal Pietro Paolo trotz seiner sündigen Leidenschaft für seltene Schriften davon Abstand genommen hatte, Bücher magischen Inhaltes zu stehlen.
    Zufällig fiel sein Blick auf die aufgeschlagene Zeitung seines Nachbarn am Nebentisch. In großen Lettern las er: Magier Domdonar sagte Tod der Comtessa Anna Verazzi voraus! Ist Signora Immaculata Deladio, vor drei Jahren gestorben, dennoch Mörderin der Comtessa?
    Der nächste Zeitungskiosk war nur einen Steinwurf entfernt. Mit drei Tageszeitungen kam Zamorra an seinen Tisch zurück. Er verschlang einen Artikel nach dem anderen. Jeder faszinierte ihn, denn er fühlte, daß beim Mord an der Comtessa dämonische Kräfte im Spiel gewesen waren.
    Comtessa Anna Verazzi war mit jenem kostbaren Dolch ermordet worden, der Immaculata Deladio als Grabbeigabe mitgegeben worden war!
    Vier Angehörige ihrer Familie hatten die Mordwaffe identifiziert!
    Drei Personen, die Immaculata Deladio sehr gut gekannt hatten, sagten übereinstimmend aus, daß die Verstorbene mit dem Dolch in der Hand aus der Zimmerwand getreten sei, sich mit der Bemerkung: »Du Hure hast meinen Sohn verdorben!« auf die Comtessa gestürzt habe, um ihr die Klinge ins Herz zu jagen. Die Comtessa sei auf der Stelle tot gewesen, und die Mörderin habe sich vor ihren Augen aufgelöst.
    »Domdonar…?« sagte der Professor etwas lauter vor sich hin, als er beabsichtigt hatte. Der Mann am Nebentisch blickte auf und sah ihn fragend an.
    »Sie kennen
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