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009 - Die Bestien

009 - Die Bestien

Titel: 009 - Die Bestien
Autoren: B.R. Bruss
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Elina. »Als der Oberst verletzt wurde. Bist du sicher, dass es kein Vogel ist?«
    »Ganz sicher. Komm, gehen wir zum Schloss zurück. Vielleicht haben die Hunde die Tollwut. Ich mag nicht mehr weitergehen.«
    Sie traten den Rückweg an und trafen plötzlich einen Mann, der von vier Hunden begleitet wurde. Catherine schrie erschreckt auf.
    Der Mann war sehr groß und breitschultrig, hielt sich sehr aufrecht und wäre eine imposante Erscheinung gewesen, wenn er nicht in Lumpen herumgewandert wäre. Der lange schmale Schädel war gebräunt, und unzählige Fältchen durchzogen sein Gesicht. Er hatte einen Vollbart und wirres graues Haar, das ihm bis auf die Schultern hing. In der Hand hielt er einen kräftigen Ast als Wanderstab und über seiner Schulter hing ein Gewehr. Vier riesige Wolfshunde gingen rechts und links von ihm und versperrten den Weg.
    Catherine packte den Arm ihrer Freundin.
    »Komm, lass uns weglaufen«, sagte sie leise. »Ich habe Angst.«
    »So ein Unsinn!« erwiderte die Pianistin. »Wir werden doch nicht vor einem Landstreicher davonlaufen.«
    Sie ging ruhig weiter. Doch je näher sie kam, desto beunruhigender wirkte das Gesicht des Mannes auf sie. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Blick war unerträglich. Es waren die Augen eines Wahnsinnigen oder eines Menschen, der in Trance ist. War er ein Schlafwandler? Seine Lippen bewegten sich, und sein Gang war seltsam starr. Anstatt sich auf den Stock zu stützen, trug er ihn in der rechten Hand wie eine Kerze vor sich her. Auch die Hunde schienen steif und starr.
    Catherine wollte vor ihrer Freundin nicht als Feigling dastehen und folgte ihr. Der Vagabund blieb jetzt plötzlich stehen, und seine Hunde schlossen sich ihm an. Die Augen des Mannes hatten einen wilden, fast teuflischen Ausdruck. Er breitete die Arme aus und hob seinen Stab hoch, aber nicht drohend, sondern eher feierlich. Einen Moment lang sah er fast wie ein Prophet aus, der seine Botschaft verkündet. Seine Hunde knurrten, und ihr Fell sträubte sich im Genick, während der Vagabund seltsame kehlige Laute ausstieß und mit dem linken Zeigefinger auf Elina deutete, sie dabei starr anblickend.
    Da bekam auch Elina Angst. Die beiden Mädchen fassten sich an den Händen und flüchteten. Aus der Tiefe des Waldes verfolgte sie der unheimliche Schrei, das geisterhafte Lachen.
     

     

Wie jeden Tag ging die Schlossherrin vor dem Mittagessen auch heute in die Küche, um nach dem Rechten zu sehen.
    »Wo ist Maria?« fragte sie, als sie die Köchin nicht sah.
    »Sie ist in ihrem Zimmer, gnädige Frau«, erwiderte Rosa.
    »In ihrem Zimmer? Ist sie krank?«
    »Nein, das Mittagessen hat sie noch zubereitet, aber jetzt packt sie ihre Koffer.«
    »Ihre Koffer? Aber warum denn?«
    »Sie hat gesagt, dass sie heute Nachmittag abfährt. Sie nimmt den Omnibus um Viertel nach drei.«
    »Aber wo will sie denn hin? Und warum hat sie mir nichts davon gesagt? Wann kommt sie denn wieder?«
    »Sie hat gesagt, dass sie gar nicht wiederkäme.«
    Die Schlossherrin war fassungslos. Seit elf Jahren stand die Köchin in ihren Diensten. Wenn die Sirvens in ihrem Haus in Nancy lebten, wurde Maria sogar das ganz Schloss anvertraut. Sie übte dann die Stellung einer Haushälterin aus. Maria war immer eine vernünftige, umsichtige Frau gewesen, nicht mehr ganz jung und manchmal etwas schwierig, doch sie hatte oft erklärt, dass sie mit ihrer Stellung im Schloss sehr zufrieden sei.
    »Aber warum will sie fort?« fragte Frau Sirven Rosa. »Und warum hat sie mir nichts davon gesagt?«
    »Ich weiß es nicht, gnädige Frau. Sie hat gemeint, Sie würden sich gewiss ärgern, und hat sich darum noch nicht getraut, mit Ihnen darüber zu sprechen. Sie wollte es Ihnen erst im letzten Moment sagen.«
    »Ich gehe gleich zu ihr.«
    Frau Sirven ging in den zweiten Stock hinauf, wo Maria ein schönes großes Zimmer bewohnte. Die Köchin machte ein sehr verlegenes Gesicht. Auf ihrem Bett lagen zwei offene Koffer, die schon zur Hälfte mit Kleidungsstücken gefüllt waren.
    »Sie wollen uns verlassen, Maria?«
    »Ja, gnädige Frau. Und es tut mir wirklich sehr leid.«
    »Aber warum wollen Sie denn weg? Und warum so plötzlich?«
    »Sehen Sie sich das an!« sagte die Köchin und zeigte auf die Zimmerdecke.
    Dort zeichneten sich die schmutzigen Fußtapfen eines Hundes ab.
    Die Schlossherrin zuckte zusammen. »Das habe ich entdeckt, gnädige Frau, als ich heute Morgen erwacht bin. Und unter meinem Kopfkissen habe ich eine
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