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0078 - Der Todeszug

0078 - Der Todeszug

Titel: 0078 - Der Todeszug
Autoren: Walter Appel
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20.000 Einwohnern. Oliven und Wein wurden in der Umgebung angebaut, die Landwirtschaft spielte, trotz des nicht allzu guten Bodens, eine bedeutende Rolle. In Celano selbst gab es ein paar kleinere Industrie- und Handwerksbetriebe.
    Zwei größere Bauxitbergwerke lagen in der Nähe.
    Die Menschen, die hier in den Abruzzen lebten, waren verschlossen und hatten mit Neuheiten nicht viel im Sinn.
    Wir waren von der Station Celano mit einer altertümlichen Lok und drei Waggons abgeholt worden. Unser Zug mußte zurückfahren, der Fahrplan für die Strecke geändert werden. Bevor der eine Schienenstrang wieder passierbar wurde, mußte ein Gleisbautrupp antreten und Reparaturen ausführen.
    Das sollte in den nächsten ein bis drei Tagen geschehen. Bis zur Beendigung der Reparaturarbeiten war die Strecke eingleisig.
    Ein paar Fahrgäste hatten sich bei der Notbremsung Beulen und blaue Flecken geholt. Ernsthaft verletzt war niemand.
    Suko und ich wurden schon am Bahnhof von dem Carabiniere des Polizeipostens von Celano erwartet. Ein Leutnant befehligte die Carabinieristation mit acht Mann. Er war ein typischer Bergbewohner. Er sprach langsam und dachte auch nicht schneller.
    Stämmig und untersetzt, mit dunklem Gesicht und Schnauzbart, wirkte er auf mich so stur und so beharrlich wie ein Felsbrocken.
    Überraschenderweise zweifelte er die Angaben über die Höllenhand und den Spuk aber nicht besonders an. Er hörte sich noch am Bahnhof die Aussagen des Lokführers, des Schaffners und der Fahrgäste an, ließ seine Carabinieri notieren und stellte ab und zu eine Frage.
    Er ließ Sukos und mein Gepäck ins Hotel Albergo Gran Sasso bringen und fuhr mit uns im Streifenwagen zur Carabinieristation. Unterwegs rauchte er sein selbstgedrehtes Kraut, das garantiert jede Fliege im Wagen tötete.
    Auf der Station dolmetschte ein junger Carabiniere, der die Handelsschule besucht hatte. Der Leutnant selbst sprach kein Englisch. Unsere Ankunft hatte man ihm aus Rom telegrafisch gemeldet, über den Zweck unseres Hierseins bestand kein Zweifel.
    »Die Mächte der Hölle sind allgegenwärtig«, ließ der Leutnant uns übersetzen. »Wir in den Abruzzen sind ein eigener Menschenschlag. Nicht so überheblich und eingebildet wie die Städter, die glauben, sie wüßten alles und vor ihnen hätten nur lauter Halbidioten gelebt. Unsere Vorfahren wußten sehr wohl, was es mit den Geistern und Dämonen auf sich hat, mit den Kräften der Natur und mit dem Übernatürlichen. Wenn auch vieles Aberglaube war oder später ausgeschmückt und verfälscht wurde, so doch nicht alles.«
    Ich begrüßte die Einstellung des Leutnants und hoffte auf eine gute Zusammenarbeit. Er siezte mich.
    »Wenn Sie an Spuk und Übernatürliches glauben«, fragte ich, »weshalb ist dann der Stationsvorsteher Gino Leone vom Dienst suspendiert und unter Anklage gestellt?«
    »Die Eisenbahndirektion sitzt nicht hier, sondern in Rom. Eine weitere maßgebliche Stelle befindet sich in Pescara. Diese Leute haben andere Ansichten. Sie suchen nach einem Sündenbock für die Vorfälle, dann wollen sie wieder zur Tagesordnung übergehen. Da kommt ihnen Gino Leone gerade recht.«
    Bald konnten wir die Carabinieristation verlassen und wurden zu unserem Hotel gefahren. Einen Wagen oder ein Motorrad könnten wir beim Autohändler leihen, hatte uns der Leutnant gesagt. Wenn nötig würde er uns auch einen Streifenwagen samt Fahrer zur Verfügung stellen.
    Die Zimmer im Hotel waren etwas altmodisch eingerichtet, aber sauber und bequem. Man hatte uns zwei nebeneinanderliegende Einzelzimmer gegeben. Da wir bereits bei dem Aufenthalt in Tagliacozzo etwas gegessen hatten, verspürte ich keinen Hunger mehr.
    Suko setzte sich in die Gaststube und futterte unbekümmert um die befremdeten Blicke der Bauern und Bürger eine große Portion Calzoni und Suppli, in Öl gebackenen Mehlteig mit Käse- und Fleischfüllung und Reiskroketten.
    Dazu trank er ein Viertel mit Wasser gemischten Wein, obwohl er sich aus Alkohol nach wie vor nicht viel machte. Zu Anfang unserer Bekanntschaft hatte er rigoros überhaupt keinen Tropfen angerührt.
    Jetzt trank er immerhin, wenn es sich so ergab, ein oder zwei Gläschen, behauptete aber, selbst dem besten Wein oder Whisky nichts abgewinnen zu können. Aber wer hier etwas Mineralwasser bestellt hätte, der wäre als Geistesverwirrter angesehen worden.
    Das Gesprächsthema des Abends in der großen, gemütlich eingerichteten Gaststube war der Vorfall mit dem Zug, das
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