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0078 - Der Todeszug

0078 - Der Todeszug

Titel: 0078 - Der Todeszug
Autoren: Walter Appel
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Leute wie ihn stieß ich allzuoft. Ich hatte mir abgewöhnt, mich darüber aufzuregen. Ich hatte immerhin die Vollmachten, die ich wollte. Der Staatssekretär und der Polizeioffizier verabschiedeten sich. Roberto Leone wollte Suko und mich gegen Abend zum Hauptbahnhof bringen.
    Denn wir hatten vor, noch am gleichen Tag per Bahn nach Celano weiterzureisen. Die restliche Zeit verstrich rasch. Dann beförderte uns Roberto Leone mit seinem Privatwagen zur Bahn.
    Er trug uns noch Grüße an seinen Bruder und dessen Familie auf. Er bat uns beinahe flehentlich, den schlimmen Verdacht von Gino Leone zu nehmen und den Spuk zu beenden.
    »Nur Sie können das schaffen, Mr. Sinclair und Mr. Suko«, sagte er in der großen Bahnhofshalle. »Sie haben die Meinung des Polizeioffiziers gehört. Wenn Sie nicht seine Unschuld beweisen, wird man meinen Bruder wegen Sabotage an Bahnanlagen und Mordes verurteilen und ins Zuchthaus stecken.«
    Ich klopfte dem besorgten Mann auf die Schulter.
    »Warten Sie erst mal in Ruhe ab, Signor Leone. Noch ist Ihr Bruder nicht hinter schwedischen Gardinen verschwunden. Bei diesem Fall haben mein Freund Suko und ich auch noch ein ganz gewichtiges Wörtchen mitzureden. Dem alten Asmodis werden wir ordentlich aufs Patschhändchen klopfen.«
    Daß eine höllische Hand im Spiel sein sollte, wußten wir von Roberto Leone. Ich war keineswegs so zuversichtlich, wie ich mich gab. Unsere Ankunft in Rom stand unter keinem guten Stern. Was am Vormittag passiert war, gab gewiß nur den Auftakt zu weitaus größeren Schrecken ab.
    Wir schleppten unsere Koffer über den Bahnsteig. Celano, das knapp 160 Kilometer von Rom entfernt lag, sollten wir wenige Minuten vor 22 Uhr erreichen. In Tagliacozzo sollten wir umsteigen und hatten 20 Minuten Aufenthalt.
    Roberto Leone winkte uns nach, als der Expreßzug abfuhr. Wir machten es uns in dem Erster-Klasse-Abteil bequem. Ich fand jetzt Gelegenheit, meinen Einsatzkoffer zu überprüfen. Unter dem dunklen Leder verbarg sich massiver Stahl.
    Der Koffer hatte ein Sicherheitsschloß. Wenn ein Unbefugter es zu öffnen versuchte, strömte ein Betäubungsgas aus, das schon beim ersten Atemzug einschläferte.
    Meine mit Silberkugeln geladene Beretta steckte in der Schulterhalfter unter meinem Jackett. So wie am Vormittag wollte ich nicht noch einmal überrascht werden.
    Sukos rechte Kopfseite zierte als Andenken an den Vorfall eine Beule, die nicht von schlechten Eltern war. Wir aßen in Tagliacozzo zu Abend, dann ging die Fahrt mit einem anderen Zug weiter.
    Suko zuliebe, dem alten Anti-Nikotiner, hatte ich ein Nichtraucherabteil gewählt. Ich erhob mich nun, streckte die Glieder und trat hinaus vors Abteil, um eine Zigarette zu rauchen. Dort standen drei junge Männer, offensichtlich Schüler oder Studenten. Sie rauchten und alberten herum.
    Ich stellte mich ans Fenster, sah hinaus in die über den Bergen einfallende Dämmerung, und zündete mir meine Zigarette an.
    Ich pfiff leise einen alten Elvis-Presley-Hit vor mich hin und dachte an Jane Collins, die hübscheste Privatdetektivin Londons, meine Freundin. Jetzt waren wir wieder für eine Weile getrennt.
    Meine Zigarette war halb aufgeraucht, als es geschah. Ich bemerkte eine Bewegung draußen vor dem Fenster. Etwas wie ein Nebenstreif erschien auf dem Trittbrett, dann entstand eine unheimliche Gestalt.
    Ein Gespenst. Eine bleiche Erscheinung wie aus konzentriertem Dampf oder Nebel. Mit schwarzen Augenhöhlen und einer schwarzen Öffnung als Mund, einem deutlich erkennbaren Kopf und langen Armen.
    Ich erstarrte. Der Unheimliche auf dem Trittbrett des fahrenden Zuges fuchtelte mit den Armen. Mit dem rechten Arm klopfte er dumpf gegen das Fenster.
    Die Hand fehlte. Es war nur ein blutiger Armstumpf, der sich mir entgegenstreckte. Eine eisige Kälte, die nicht von dieser Welt stammen konnte, drang in den Wagen ein.
    Ich hörte ein leises Wispern durch das Fahrtgeräusch, wie eine Botschaft aus dem Jenseits.
    »John Sinclair, halt. Die Höllenhand! Die Höllenhand!«
    ***
    Das Wispern hören und mich entschließen war eins. Ich sprang zum Abteil und riß die Tür auf.
    »Suko!« brüllte ich. »Die Notbremse!«
    Mein chinesischer Freund federte sofort hoch und griff zur Notbremse. Ich sprang auf die Plattform zurück und hielt mich am Türpfosten fest. Der unheimliche Mitfahrer draußen auf dem Trittbrett gestikulierte noch heftiger als zuvor.
    Jetzt entdeckten ihn auch die drei jungen Leute. Aufschreiend warfen sie ihre
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