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0072 - Die Ruine des Hexers

0072 - Die Ruine des Hexers

Titel: 0072 - Die Ruine des Hexers
Autoren: Walter Appel
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existiert.
    ***
    Wirbelnde Farbspiralen. Sphärenklänge. Zwei Menschen auf der Reise durch die vierte Dimension, zwischen Zeit und Ewigkeit.
    Plötzlich spürte Zamorra Boden unter den Füßen. Er strauchelte, hielt sich aber auf den Beinen und stützte Nicole Duval, die aus dem Nichts neben ihm auftauchte.
    Überrascht sahen die beiden sich um. Zamorra steckte die Alraune und sein Amulett in die Tasche des blauen Überrockes. Er befand sich nicht auf der Lichtung, auf der die Kapelle gebrannt hatte. Und auch nicht in Bäcker Martin Claireaux’ Backstube, auf die er sich konzentriert hatte, sondern an einem völlig fremden Ort. In einem Geisterwald mit abgestorbenen, bizarren, blattlosen Bäumen, dunkel und verwittert. Dumpfes Brummen war zu hören, an- und abschwellend, dazwischen raunte und wisperte es unheimlich.
    Der Himmel besaß eine düstere, violette Farbe, die Sonne war ein weißer Fleck, der gnadenlose Hitze ausstrahlte. Sand knirschte unter Zamorras und Nicole Duvals Füßen.
    In der Ferne aber ragte eine düstere Felsklippe auf. Und im grellen, schattenlosen Licht stand auf ihr ein Gebäude, schwärzlich, verwittert, angekohlt, das halbe Dach verbrannt und zerstört. Die Satanskapelle, in der Romain Rollands Geist steckte.
    Zamorra bemerkte, daß weder die Bäume noch er oder Nicole einen Schatten warfen.
    »Wir sind in eine Zwischendimension geraten«, sagte er, und seine Stimme hörte sich seltsam an. Die Akustik war verzerrt und fremdartig. »Der Dämon hat uns hergeholt. Er will sich wohl den Platz aussuchen, an dem unser Kampf ausgetragen wird. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu der Felsenklippe zu marschieren.«
    »Ja«, sagte Nicole, und Zamorra erschrak fast, als er ihre Stimme hörte. »Aber zuerst will ich mich etwas freimachen. Es ist unerträglich heiß hier.«
    Sie legte den Federhut und das Schoßjäckchen ab, auch die Perücke. Ihre Kurzhaarfrisur wirkte unpassend zu dem pompösen Kleid. Nicole zog es aus und entledigte sich der Krinoline. Das Kleid war zu lang, als sie es wieder überzog, da die bauschende Krinoline wegfiel.
    Nicole mußte es raffen und hochhalten.
    Zamorra warf den Dreispitz und die Perücke weg, zog auch die Gamaschen aus. Er nahm den Revolver aus der Tasche und schob ihn in den Hosenbund, hängte sich das magische Amulett um den Hals und steckte die Alraune in die Hosentasche.
    Den blauen Überrock bei Nicoles Sachen zurücklassend, marschierte er mit seiner Begleiterin los. Bald schon waren sie schweißgebadet und lechzten nach einem Schluck Wasser. Die seltsamen Geräusche verfolgten sie, und die Baumskelette bewegten geisterhaft ihre abgestorbenen Äste.
    Die Hitze dörrte Zamorra und Nicole aus, die schwarze Klippe schien nicht näher zu rücken. Die weiße Sonne bewegte sich nicht am lilafarbenen Himmel. Zamorra glaubte, er müßte verschmachten.
    »Warum?« krächzte Nicole mühsam. »Wie ist das möglich?«
    »Romain Rolland hat gemerkt, was gespielt wird«, sagte Zamorra.
    »Er weiß, was vorgeht, er hat übernatürliche Kräfte. Es war ihm klar, daß ich ihn mit der Alraune beschwören würde, im Jahr 1977, und so brachte er uns in seine Zwischendimension, um es uns schwerer zu machen.«
    »Aber… wie ist das mit der Zeit?«
    »Keine Schwierigkeit. Romain Rollands Geist verließ mit der Ruine der Satanskapelle, an die er gekettet war, das Jahr 1776. Du hast gesehen, wie das brennende Gebäude verschwand. Zweihundert Jahre später, in unserer Gegenwart, konnte er sein teuflisches Wirken beginnen. Er hatte magische Verbindungen zur Vergangenheit. Nach seiner letzten Untat, dem Mord an Martin Claireaux und damit dem Richter François Claireaux, wurde er auf uns aufmerksam. Vielleicht auch schon früher. Aber danach griff er ein, sobald wir die Alraune hatten.«
    Nicole begriff. Nur für sie und Zamorra lagen das Verschwinden der schwarzen Kapelle und ihre Entführung durch den Dämon zeitlich so eng zusammen. Romain Rolland hatte die Entführung bewirkt, aus Zamorras und Nicoles Gegenwart, und es war das einzige, was er tun konnte, um den beiden beizukommen.
    Sie hatten keine Nachkommenschaft im 20. Jahrhundert. Für Romain Rolland lag eine sehr lange Zeitspanne zwischen dem Verschwinden der schwarzen Kapelle und der Entführung. Mehr als zwei Jahrhunderte. Wie lange mochten sie für ihn gewesen sein in dieser Zwischendimension?
    Zweihundert Ewigkeiten?
    Die Rede hatte Zamorra erschöpft. Leuchtende Punkte tanzten vor seinen Augen.
    »Konntest du
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