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0071 - Knochensaat

0071 - Knochensaat

Titel: 0071 - Knochensaat
Autoren: Jason Dark
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Finsternis Macht und Stärke gab. Eine beklemmende Vorstellung.
    Da liebte der Totengräber trotz seines Berufes doch das Licht der Sonne und deren Wärme.
    Den Plastiksack nahm er in die rechte Hand, marschierte damit auf die Kirchenmauer zu.
    Etwa in der Mitte befand sich die Rutsche.
    Der Eingang sah aus wie ein halbrundes Kellerfenster. Eine eingearbeitete Holztür mit einem Vorhängeschloß schützte vor Unbefugten. Die Schlüssel zum Schloß besaßen nur Spatzek und der Pfarrer.
    Spatzek stellte den Sack ab, holte den Schlüssel hervor und bückte sich, um das Schloß zu öffnen.
    Er hatte den Schlüssel noch nicht eingeführt, als er das Gefühl hatte, eine eiskalte Hand würde über seinen Rücken streichen.
    Die Knochen hatten sich innerhalb des Sackes bewegt. Sie klapperten gegeneinander.
    »Wahnsinn!« ächzte der Totengräber. Er versteifte sich und schielte aus den Augenwinkeln zum Sack hin. Gleichzeitig fuhr ein kühler Windstoß über den kleinen Friedhof, bewegte raschelnd die Blätter der Büsche und glitt auch über den Plastiksack.
    Fred Spatzek lachte auf.
    Das war die Erklärung für das Klappern. Der Wind hatte die Knochen und den Sack bewegt.
    Und er hatte schon gedacht…
    Hastig öffnete er das Schloß. Jetzt aber nichts wie weg mit den Gebeinen. Länger wollte er die Dinger nicht mit sich herumschleppen. Er schüttelte sich, als er den Sack wieder aufzog.
    Die Knochen lagen wirr durcheinander.
    Spatzek rollte die Seiten des Sacks nach unten, damit er sich nicht zu tief zu bücken brauchte.
    Einzeln holte er die oft sperrigen Gebeine hervor.
    Die Tür hatte er inzwischen aufgezogen. Dahinter begann die eine Rutsche. Sie war aus Stein gebaut, aber mit einer sehr glatten Oberfläche versehen, so daß keine Hindernisse die Knochen auf ihrer kurzen Reise aufhalten konnten.
    Die ersten Knochen rutschten in das Beinhaus.
    Dann folgten Arme und Hände.
    Danach Rippenbögen.
    Und so ging es weiter.
    Spatzek arbeitete rasch. Er wollte es endlich hinter sich bringen. Und das Bier würde ihm trotz der späten Stunde doppelt so gut schmecken.
    Zuletzt hielt er den Schädel in der Hand.
    Wie unter einem inneren Zwang schaute er sich den Totenkopf an.
    Er blickte in die leeren Augenhöhlen, in das grinsende Gebiß und in die beiden Löcher, wo einst die Nase gesessen hatte.
    Und dann hatte er wieder das Gefühl, als würde sich der Unterkiefer des Schädels bewegen.
    Weg damit!
    Hastig warf der Totengräber den Schädel zu den anderen Knochen hin.
    Spatzek schaute ihm nach.
    Plötzlich wurden seine Augen groß. Er schnappte nach Luft, stieß einen krächzenden Laut aus, denn das, was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln…
    ***
    Die letzten Gebeine waren nicht auf dem alten Knochenberg gelandet, sondern – schwebten darüber. Ja, sie schwebten!
    Obwohl es in den unterirdischen Gewölben der Kirche finster war, sah der Totengräber doch jede Einzelheit, denn die Gebeine strahlten ein silbrig schimmerndes Licht aus. Jeder einzelne Knochen war von einer flimmernden Aura umgeben, jeder einzelne tanzte und bewegte sich hin und her. Es war ein makabres, aber auch faszinierendes Schauspiel.
    Die Knochen führten einen regelrechten Tanz über den länger daliegenden Gerippen auf, sie bewegten sich aufeinander zu, um dann wieder auseinanderzufächern. Sie überschlugen sich oder klapperten gegeneinander, so als würde ein unsichtbarer Dirigent den Taktstock schwingen.
    Die Szene war unbeschreiblich.
    Und unglaublich…
    Der Totengräber konnte es einfach nicht fassen. Für ihn war es unmöglich, was er dort sah.
    Knochentanz.
    Fred Spatzek wußte nicht, ob er Sekunden oder Minuten gestarrt hatte. Plötzlich gerieten die silbrig schimmernden Knochen in noch stärkere Bewegungen und schwebten einem Ziel entgegen.
    Dem Schädel!
    Wie der König auf seinem Thron saß, so hing er mitten in der Luft, über dem Gebirge von Gebeinen.
    Und er war der Sammelpunkt!
    Die einzelnen Körperteile flogen auf ihn zu, wuchsen wieder zusammen, und so entstanden ein Hals, die Schultern, die Arme, die Beine und Füße.
    Auf einmal schwebte ein Gerippe über dem Berg.
    Ein lebendes Skelett!
    Das sich bewegte!
    Der Totengräber glaubte, den Verstand zu verlieren. Das Bild war so irrational, daß er es einfach nicht fassen konnte.
    Wenn er das jemandem erzählte, würde man ihm kein Wort glauben.
    Das Gerippe schleuderte sein rechtes Bein vor. Es war schon ein Schleudern, denn von einem normalen Gehen konnte man wirklich nicht
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