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0071 - Knochensaat

0071 - Knochensaat

Titel: 0071 - Knochensaat
Autoren: Jason Dark
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saufen?«
    Spatzek grinste. »Nur ein Bierchen, Marie!«
    Die Frau nickte. »Das kenne ich, du Säufer. Hinterher kommst du wieder stockbetrunken angetorkelt. Mich wundert es, daß der Pfarrer dich noch nicht entlassen hat.« Spatzek hob die Schultern, schaute Marie an. Sie brachte mindestens zwei Zentner auf die Waage. Das Gesicht ähnelte dem eines Posaunenengels mit rosigen Wangen, und das immer noch schwarze Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt. Marie trug ein blaues Kleid und eine blütenweiße Schürze, die noch nach Stärke roch.
    Spatzek hob die Hand. »Ich schwöre dir, daß…«
    »Schwöre nichts, was du nicht halten kannst, du versoffener Strick.«
    Spatzeks Arm fiel nach unten.
    Bevor Marie jedoch zu einer weiteren Moralpredigt ansetzen konnte, klingelte es.
    Marie drehte sich um. Die Haustür hatte einen Glaseinsatz. Dahinter sah sie die Umrisse einer männlichen Person. Marie ging hin und öffnete.
    Otto Hirmer, ein Bauer, stand vor der Tür und knetete seine großen Hände. Er hatte verweinte Augen, und Marie wußte sofort, daß etwas passiert war. »Ist Mutter…?«
    Hirmer nickte. »Ja, sie ist gestorben.«
    »Und der Pfarrer? Er war doch gar nicht bei ihr.«
    Hirmer hob die Schultern. »Es – es ging sehr schnell«, berichtete er stockend. »Mutter fiel plötzlich um und war tot. Herzschlag, glaube ich. Sie war immerhin über fünfundachtzig.«
    Marie nickte. »Ja, ja, das kommt schnell.« Dann griff sie nach der Hand des Mannes. »Auf jeden Fall mein herzliches Beileid, Otto. Es tut mir leid.«
    »Danke!«
    Der Pfarrer hatte gehört, daß gesprochen wurde. Er kam aus seinen Privaträumen. Marie sah ihn zuerst und erzählte mit wenigen Worten, was geschehen war. »Friede sei mit ihr«, sagte der Geistliche salbungsvoll und reichte Hirmer ebenfalls die Hand, um zu kondolieren. Der Pfarrer war ein Mann, der die Sechzig bereits überschritten hatte. Sein weißes Haar wuchs nur noch an den Seiten des Kopfes. Er hatte ein gesundes rosiges Gesicht, immer ein freundliches, gütiges Lächeln auf den Lippen und sah eigentlich aus wie ein Bilderbuchpastor. Und er war schrecklich konservativ. Er hielt nichts von dem modernen Kram und hatte sich sogar geweigert, ein Paar zu trauen, von dem er wußte, daß die Frau keine Jungfrau mehr war.
    In Waldeck hielt man eben noch auf Konventionen. »Wie ist es denn passiert?« erkundigte er sich leise. Otto Hirmer erzählte seine Geschichte zum zweitenmal, und der Pfarrer nickte.
    »Ja, ja«, sagte er dann. »Man weiß nie, wann der Sensenmann zuschlägt. Irgendwann trifft es uns auch.«
    Fred Spatzek jedoch war sauer. Seinen Bierabend konnte er vergessen, denn nun begann sein Job als Totengräber. Fred Spatzek mußte das Grab für die Tote ausheben. Für ihn ein Routinejob. Allerdings ahnte er nicht, daß er dabei das nackte Grauen kennenlernen sollte…
    ***
    Irgendwie paßte der Felsen nicht in die Umgebung. Schon von der Form her nicht und auch nicht vom Material.
    Er sah aus wie ein riesiger Finger, der sich mahnend in den Himmel streckte. Dunkel glänzte das Gestein. Ja, es war ein regelrechter Glanz, den er ausstrahlte, denn der Felsen bestand aus einer Metallverbindung und sah aus wie Eisenpulver. Immer wieder blitzten silbern kleinere Körnchen auf, und wenn einmal die Sonne darauf schien, begann der Felsen zu strahlen.
    Seltsam war nur, daß im Umkreis von fünf Metern kein einziger Baum, kein Strauch und auch kein Gras wuchs.
    Der Boden war trocken und steinig, er hatte Ähnlichkeit mit der Vulkanerde in Italien am Vesuv.
    Jahrhunderte stand der Felsen dort und trotzte der Natur. Er hatte die Stürme der Zeit überstanden, und um seine Herkunft rankten sich Sagen und Legenden.
    Böse Legenden…
    Die einen besagten, daß der Teufel selbst in einem Anfall von Wut, weil ihm eine Jungfrau nicht zu Willen gewesen war, diesen Stein aus der Hölle geholt und dort in den Boden gerammt hatte. Danach war er Treffpunkt für die Hexen geworden. Im Mittelalter feierten sie dort ihre gräßlichen Feste. Doch der Hexenwahn ging vorbei. Geblieben aber war die Angst der Menschen vor diesem Felsen.
    Und immer warnten Eltern ihre Kinder davor, in die Nähe des Steins zu gehen, und die Kinder gehorchten.
    Die Tradition saß eben noch sehr tief. Selbst aufgeklärte junge Leute – oder die, die sich für aufgeklärt hielten – vermieden es, sich diesem Platz zu nähern, denn er war verflucht!
    Das hatte der Pfarrer von der Kanzel gepredigt. Und der mußte es
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