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0064 - Der Hexer von Paris

0064 - Der Hexer von Paris

Titel: 0064 - Der Hexer von Paris
Autoren: Jason Dark
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fiel.
    Das Horrorwesen hatte beide Arme erhoben, und die skelettierten Finger umklammerten das Gestänge des Eiffelturms.
    Roger wischte sich über die Augen. Er glaubte an eine Halluzination, doch das Bild blieb.
    Der junge Mann wankte zurück. Er keuchte, wollte schreien, rufen, jemand aufmerksam machen, doch kein Laut drang über seine Lippen. Wie zugeschnürt war seine Kehle.
    Schwer fiel er auf das alte Bett, das protestierend aufstöhnte, als es das Gewicht spürte.
    Roger zitterte. Ein Schweißfilm lag auf seiner Haut. Die Oberlippe glänzte wie mit Speck eingerieben. Unfaßbar war für ihn das Grauen, das sich seinen Augen bot.
    Nach einigen Minuten hatte Roger sich soweit gefangen, daß er wieder aufstehen konnte. Mit beiden Händen stützte er sich am Bettrand ab und drückte sich in die Höhe.
    Auf Zehenspitzen schlich er zum Fenster, als hätte er Angst, daß ihn jemand hören könnte. Von unten jedoch schallte weiterhin das Gelächter, Stimmengewirr und Gläserklirren zu ihm hoch.
    Vorsichtig peilte der junge Mann über die Kante der Fensterbank hinweg. Er schaute in den Nachthimmel, hob den Blick noch ein wenig an und sah weiterhin die gräßliche Gestalt. Doch nun waren die gewaltigen Hände zu Fäusten geballt und das Maul des Gespenstes weit aufgerissen, so daß Roger selbst aus der Entfernung die gelben, lückenhaften Zähne erkennen konnte.
    Roger Dolain krallte seine Finger in das Holz der schmalen Fensterbank. Er befürchtete, daß dieses Gespenst den Eiffelturm aus seiner Verankerung reißen könnte, doch das war nicht der Fall.
    Fast ohne Übergang verschwand es. Die Gestalt wurde durchsichtig, die Umrisse zerfaserten, und das gigantische Skelett war nicht mehr zu sehen.
    Roger Dolain hätte aufatmen können, aber dazu fehlte ihm einfach die Kraft. Er war bis in die tiefsten Stellen seiner Seele geschockt. Dieses skelettierte Monster hatte die Angst in ihm hochsteigen lassen. In dieser Stadt wollte er keine Minute mehr bleiben. Weg, nur weg aus Paris.
    Den Koffer hatte er noch nicht ausgepackt, und das kam ihm jetzt zugute. Er schnappte sich das Ding aus Kunstleder, lief zur Tür, stolperte in den Gang und anschließend die Treppe hinab, da er nicht wußte, wie der altersschwache Fahrstuhl funktionierte.
    Die Stimmen wurden lauter. Die Gäste unten schienen kräftig zu feiern. Roger verstand das nicht. Sie mußten doch auch das Gespenst am Himmel gesehen haben.
    Auf dem letzten Treppenabsatz blieb er stehen. Er traute sich nicht mehr weiter, sondern schaute aus weit aufgerissenen Augen auf die feiernden Menschen.
    Die Besitzerin fiel sofort auf. Sie tanzte auf einem kleinen runden Tisch, stampfte dabei wild mit den Füßen auf und drehte sich nach den Klängen eines Paso Doble. Zwischen ihren Lippen qualmte eine filternde Zigarette.
    Frauen und Männer umstanden den Tisch. Die Mädchen waren durchweg jung, einige Männer schon älter. Sie klatschten begeistert den Takt, nach dem Madame Rose tanzte. Ein Champagnerkorken knallte, und der Sekt schoß raketenartig aus dem Flaschenhals.
    Rotes Licht warf seinen Widerschein über die Körper und ließ sie geisterhaft aussehen.
    Roger Dolain brauchte einige Zeit, um die Szene zu begreifen. Dann aber machte er sich bemerkbar.
    »Aufhören!« brüllte er. »Ihr sollt aufhören, verdammt noch mal!«
    Zuerst nahm man keine Notiz von ihm, und Roger mußte ein zweites Mal schreien.
    Plötzlich verstummte das Klatschen. Der Mann am Plattenspieler hob den Tonarm hoch, und die Musik verstummte mit einem jaulenden Mißton.
    Es wurde still.
    Madame Rosa wandte Roger ihr schweißüberströmtes Gesicht zu. Die Blicke waren ärgerlich.
    »Was hast du denn vor, Söhnchen?« fragte sie gefährlich leise.
    Ein junger Bursche meinte: »Der Kleine will mitfeiern.«
    Madame Rosa unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Sie sprang vom Tisch und winkte mit dem Zeigefinger der rechten Hand. »Also, was willst du, Söhnchen?«
    Roger trat näher. Auf der Hälfte der Treppe blieb er stehen, holte noch einmal tief Luft und begann zu sprechen. Er war so nervös, daß er sich ein paarmal verhaspelte. Seine Worte sprudelten nur so aus dem Mund.
    »Das Skelett am Eiffelturm! Ich habe es gesehen… es war größer als der Turm. Es wird ihn…«
    »Rede keinen Unsinn!« fuhr ihn die Frau an.
    »Es ist aber wahr!« schrie Roger. »Ich will weg! Ich will nach Hause!«
    Die Gäste sahen sich an. Einige Mädchen kicherten. Man sah ihnen an, welchem Beruf sie nachgingen. Sie frönten dem
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