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0064 - Der Hexer von Paris

0064 - Der Hexer von Paris

Titel: 0064 - Der Hexer von Paris
Autoren: Jason Dark
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ältesten Gewerbe der Welt.
    »Rede keinen Unsinn, Junge!« sagte Madame Rosa.
    »Es ist die Wahrheit«, schluchzte Roger und lehnte sich müde gegen das Geländer.
    »Ein Glas, schnell!« rief Madame.
    Eine Rothaarige mit unzähligen Locken und einem Bardot-Schmollmund reichte ihr einen Champagnerkelch.
    Madame Rosa nahm ihn in die rechte Hand, ging zu Roger Dolain hoch und setzte ihm das Glas an die Lippen. »Hier, Junge, trink mal einen Schluck.«
    Roger faßte nach dem Kelch. Seine Hände zitterten. Er trank den Champagner und legte den Kopf zurück, weil ihm plötzlich schwindlig wurde. Nur verschwommen sah er die Gesichter der an der Treppe stehenden Menschen.
    »Was ist mit dir?« Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme der Pensionswirtin.
    Roger glitt der Koffer aus der Hand. Er prallte auf eine Stufenkante und rutschte polternd die Treppe hinab. »Ich – ich kann nicht mehr«, flüsterte er. »Ich…«
    »Komm, stütz dich auf mich.« Resolut faßte Madame Rosa ihn unter und führte ihn die Stufen hinab.
    Unten wurde er auf einen Stuhl gesetzt. Die anderen bildeten einen Kreis um ihn. In den Gesichtern der Männer las er Spott, in denen der Mädchen Mitleid.
    Madame Rosa ging neben Roger in die Knie. »Du hast geschlafen, Junge, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und dann hast du das Skelett gesehen?«
    »Ja – nein, ich… ich…«
    »Du hast geträumt, mein Sohn«, sagte die Frau.
    Rogers Kopf ruckte hoch. »Nein!« schrie der Junge. »Ich habe nicht geträumt. Ich sah das riesige Skelett. Es stand – nein, es schwebte hinter dem Eiffelturm. Ich wollte mir den Turm doch ansehen, aber…«
    Die Leute warfen sich bezeichnende Blicke zu. Einige Männer tippten gegen ihre Stirnen.
    »Soll ich einen Arzt holen?« fragte Madame Rosa.
    Roger Dolain schüttelte den Kopf.
    »Geht es dir jetzt besser?«
    »Ja, ich glaube.« Er stand auf und suchte seinen Koffer. »Ich – ich möchte nicht mehr hierbleiben. Ich will wieder zurück nach Hause. Sofort.«
    »Aber nicht mitten in der Nacht.«
    »Doch«, widersprach der Junge.
    »Es fährt kein Zug«, sagte die Frau.
    »Mir egal.«
    »Laß ihn doch, wenn er gehen will«, rief ein fettleibiger Kerl, der den Arm um ein junges Mädchen mit biegsamer Figur gelegt hatte. »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.«
    »Halten Sie sich da raus«, zischte die Pensionswirtin.
    »Was ist denn das für ein Ton«, beschwerte sich der Knabe.
    »Sie können ja gehen.«
    »Ich habe doch bezahlt!«
    Roger Dolain mischte sich ein. »Sie brauchen sich wegen mir keine Sorgen zu machen«, sagte er rauh. »Ich schaffe es schon. Bitte, lassen Sie mich jetzt.«
    Da war er aber bei Madame Rosa an die Richtige gekommen. Sie hatte ihre mütterliche Seele wieder entdeckt. »Kommt überhaupt nicht in Frage«, erwiderte sie. »Du bleibst hier. Und wenn ich persönlich auf dich aufpassen muß. Ich laß dich nicht gehen. Nicht in deinem Zustand. Paris ist viel zu gefährlich.«
    »Aber Madame…«
    »Keine Widerrede.« Die Frau drehte sich um. »Colette«, sagte sie. »Nimm den Koffer.«
    Ein blondhaariges Mädchen löste sich aus der Gruppe. Es hatte die Haare zu einer Außenrolle frisiert und hinter die Ohren gelegt. Colette trug ein enges rotes Kleid. Durch den Stoff sah man die Brustwarzen schimmern.
    »Colette, du bleibst mit ihm im Zimmer«, befahl Madame.
    »Sehr wohl.« Das Mädchen nickte.
    Roger schaute sie an. Ihm gefiel, was er sah, und er lächelte, so daß Colette ganz rot wurde. So war sie noch nie von einem Mann angesehen worden, bisher hatten die Männer immer nur das eine gewollt. Sie merkte, daß ihr Herz schneller schlug. Auch Madame Rosa blieb dies nicht verborgen, und sie freute sich im stillen. Hatte sie doch die richtige Wahl getroffen.
    Colette reichte Roger den Arm. »Darf ich dann bitten, junger Mann?« fragte sie.
    Roger überlegte noch. Er wandte den Kopf und drehte Colette sein Gesicht zu. Man konnte Roger Dolain für alles halten, was man wollte, für einen Provinzler, für einen Trottel oder Narren, aber er merkte genau, wenn es jemand ehrlich meinte. Roger erkannte dies an den Augen der entsprechenden Person.
    Colette meinte es ehrlich.
    Er ließ sich von ihr hochziehen. Gemeinsam und Arm in Arm schritten sie zum Fahrstuhl.
    »Bleib bei ihm, bis er schläft«, rief Madame Rosa ihnen noch nach. Colette drehte den Kopf. »Natürlich.« Sie öffnete die Tür. Zum zweitenmal an diesem Tag betrat Roger den Fahrstuhl. Wieder ratterte und ächzte er, bevor er sich in Bewegung
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