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0061 - Der Hexenberg

0061 - Der Hexenberg

Titel: 0061 - Der Hexenberg
Autoren: Hans Wolf Sommer
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es zu spät ist, das Gegengift zu verabreichen. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?«
    Sie hatte. Fabienne Duquesne gelobte, eine folgsame Mitarbeiterin zu sein. Sie war sogar interessiert daran, endlich zu erfahren, welcher Dämon denn gerufen werden sollte.
    »Oh«, sagte Nicole fast heiter, »wir werden eine Brücke zu gleich zwei Dämonen schlagen. Ihre Namen lauten: Zamorra und Bill Fleming!«
    ***
    Zeit seines Lebens hatte sich der Professor Zamorra niemals darüber Gedanken gemacht, wie groß denn wohl der Kräftehaushalt einer Maus sei. Jetzt war dieser Punkt zu einer reinen Existenzfrage geworden.
    Er wusste nicht, wie lange er und Bill es noch schaffen würden, den Nachstellungen der Schlange zu entgehen. Lange bestimmt nicht mehr.
    Wie die Irrwische hetzten sie über die Hügellandschaft des Verliesbodens, versuchten sie, Lücken zwischen den Steinquadern zu finden, in denen sie sich verbergen konnten. Sie fanden keine, mussten stetig in Bewegung bleiben, um nicht dem züngelnden Riesenrachen des verhexten Reptils zum Opfer zu fallen.
    Ganz offensichtlich machte die Hexe noch nicht richtig Ernst. Sie spielte mit ihren Opfern, weidete sich an ihrer Todesangst. Wenn sie der Spielerei müde wurde und methodisch Jagd auf sie machte, waren sie rettungslos verloren. Die ganze Zeit über hatte Zamorra die stille Hoffnung, dass Hamaroth oder ein anderer Dämon aufmerksam werden und herbeieilen würde. So grotesk es war, er wünschte sich von ganzem Herzen, dass einer seiner Erbfeinde auf der Bildfläche erscheinen möge. Aber so wie es aussah, war diese Hoffnung nichts als leerer Wahn. Die Herren des Palastes beschäftigten sich wohl mit anderen Dingen, kümmerten sich nicht um solche Belanglosigkeiten wie das Wohlergehen von zwei menschlichen Gefangenen. Und sie rechneten wohl auch nicht damit, dass eins ihrer Geschöpfe eine Initiative ergriff, die ihren eigenen Vorstellungen nicht so ganz entsprach.
    Zamorra merkte, dass er schwächer und schwächer wurde. Seine Sekunden waren gezählt.
    Plötzlich war ihm, als würde jemand seinen Namen rufen, seinen und den des Freundes.
    »Zamorra! Bill Fleming!«
    Litt er an Halluzinationen?
    Fing die Todesangst an, seinen Geist zu verwirren?
    Nein, da war es wieder.
    »Komm, oh komm, Zamorra. Wir warten auf dich!«
    Der Ruf drang nicht akustisch an seine Spitzohren, fand unmittelbar Eingang in sein Bewusstsein.
    Kein Zweifel – jemand rief ihn. Nicht nur eine Person, mehrere!
    Fünf!
    Die geistigen Stimmen waren seltsam eindringlich, flehten ihn beinahe an, versprachen ihm ungeahnte Freuden.
    Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass die Nachstellungen der Schlange ins Stocken geraten waren.
    Hörte die Hexe in Reptilgestalt die geheimnisvollen Rufe ebenfalls?
    Und dann waren da auf einmal nicht nur diese geisterhaften Stimmen.
    Er sah, ohne dass dabei die Netzhaut als Übermittlungsträger in Erscheinung trat.
    Eine Straße – aus glühenden Funken geboren.
    Eine Brücke!
    Eine Brücke, die einen unvorstellbaren Abgrund überspannte.
    Und am anderen Ende der Brücke waren fünf Gestalten, die aus sich heraus zu leuchten schienen. Zuerst sah er sie nur undeutlich, schemenhaft. Dann aber kristallisierten sich Einzelheiten heraus.
    Er erkannte eine dieser Gestalten.
    Nicole!
    Sein kleines Mäuseherz begann zu zittern und zu beben.
    Ein heiseres Piepsen entrang sich seiner Kehle.
    »Bill! Siehst du es? Hörst du es?«
    Er wusste nicht, ob der Freund ihn begriffen hatte. Die Schlange aber hatte ihn augenscheinlich verstanden. Sie erwachte aus der Starre, in die sie verfallen war, stieß einen ohrenbetäubenden Zischlaut aus und schoss züngelnd auf ihn zu.
    Zamorra überlegt nicht mehr. Instinktiv lief er los – hin zu dieser Brücke, die ihm wie ein rettender Strohhalm erschien, den er ergreifen konnte.
    Er hatte die Brücke erreicht, rannte, was seine kleinen Beine hergaben. Er hatte nicht das Gefühl, festen Boden unter sich zu haben. Es war eher wie ein Fließen, wie ein Eingebettet sein in elektrischen Strom.
    Er hatte keine Vorstellung davon, wie lange dieser seltsame Transportvorgang währte. Er merkte nur, wie er plötzlich zu Ende war.
    Reale Sinneseindrücke strömten wieder auf ihn ein. Solider Untergrund unter seinen Füßen, feuchtes Erdreich und hartes Felsgestein.
    Nacht unter einem glitzernden Sternenhimmel. Tausend Gerüche, die sich in seine Nasenlöcher drängten. Er sah, hörte und spürte wieder mit seinen ›normalen‹ Mäusesinnen.
    Er stand auf
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