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0059 - Hexenverbrennung

0059 - Hexenverbrennung

Titel: 0059 - Hexenverbrennung
Autoren: Richard Wunderer
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»Tut mir leid, Mara, aber Sie gehören selbst zu dem Verein – oder gehörten, wie Sie sagen.«
    Sie ließ die Hände sinken. Ihre großen blauen Augen richteten sich flehend auf mich. In ihrem Blick schwang so viel Schmerz mit, daß mir meine Worte schon leid taten.
    »John, ich will mit allem Schluß machen, glauben Sie mir!« sagte sie leise.
    »Vertrauen Sie mir!«
    »Ich werde Ihnen helfen!« antwortete ich ausweichend. Bevor ich einem Fremden, besonders einer ehemaligen Hexe, traute, mußte viel Wasser die Themse hinunterfließen. »Sie können mir nicht den kleinsten Anhaltspunkt geben, wer das Mordopfer sein soll? Oder wie wir den Mord verhindern können?«
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein! Das ist ja das Schreckliche!« rief sie mit tränenerstickter Stimme.
    »Aber Sie müssen doch wenigstens die Namen und Adressen Ihrer Schwestern kennen«, warf Suko ein.
    Wieder schüttelte sie den Kopf, daß ihre goldblonden Haare flogen. »Wir haben uns nur mit Vornamen angeredet. Emily, Sarah und Linda sind meine nächsten Schwestern. Von ihnen droht mir Gefahr. Ich habe zwar noch viele andere kennengelernt, aber nicht einmal ihre Vornamen erfahren. Ich kenne weder ihre Nachnamen noch ihre Adressen.«
    Ich zuckte mutlos die Achseln. »Dann hat es gar keinen Sinn, wenn ich Nachforschungen anstelle. Wo soll ich denn ansetzen?«
    »Im Hexenhaus an der Themse.« Mara lächelte schwach. »Tut mir leid, John, aber ich habe es ganz vergessen. Ich bin ein wenig durcheinander. In diesem Haus haben wir uns getroffen und Beschwörungen abgehalten. Wenn Sie meine Schwestern überhaupt finden, dann im Hexenhaus. Sie können es gar nicht verfehlen!«
    Sie beschrieb uns den Weg dorthin. Suko und ich sahen uns an.
    »Worauf warten wir noch?« fragte mein Freund und wuchtete seine massige, nur aus Muskeln und Sehnen, bestehende Gestalt aus dem Sessel, der erleichtert knarrte.
    »Gehen wir!« Seiner Freundin Shao legte er einen Zettel hin. Sie sollte sich keine Sorgen machen.
    ***
    Mara Lacatte war aus Angst in ein Hotel gezogen. Sie schrieb mir die Adresse auf.
    Ich steckte den Zettel ein und brachte sie zum Aufzug. Dann ging ich noch einmal in Sukos Wohnung zurück, um Jane Collins zu verständigen. Aber Jane war nicht zu Hause. Sie arbeitete als Privatdetektivin und hatte selbst immer eine Menge eigener Fälle. Wenn ihr Zeit blieb oder wenn ich einen besonders interessanten Fall hatte, half sie mir. Mehr als einmal hatte sie Suko und mich schon aus unangenehmen Situationen herausgehauen.
    Daß nebenbei zwischen Jane und mir die Funken sprangen, sobald wir einander nur sahen, stand auf einem anderen Blatt.
    An diesem Nachmittag zogen Suko und ich allein los. Während ich den Bentley durch die Londoner City steuerte und meinen Gedanken über Mara Lacatte nachhing, überzog sich der Himmel mit bleigrauen Wolken.
    »Es gibt Schnee«, sagte Suko und sog die Luft prüfend durch die Nase. »Ich kann es riechen.«
    »Ich rieche nur Autoabgase«, erwiderte ich und trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad. Wir steckten vor einer Ampel im Stau. »Es macht mich rasend! Da soll ein alter Mann ermordet werden, damit Mara zur Mörderin gestempelt werden kann. Und uns sind die Hände gebunden.«
    Mein chinesischer Freund und Partner besah sich seine Pranken, groß wie Kohlenschaufeln. »Bei mir ist nichts gebunden«, erklärte er grinsend. »Wir schaffen es schon.«
    Es war reiner Optimismus, der uns Mut machen sollte. Wir wußten beide, wie schwer es war, gegen die Mächte der Finsternis anzukämpfen. Immer wieder kamen sie aus der Dimension der Geister und Dämonen in die Welt der Menschen, um Tod und Chaos zu verbreiten. Hatten wir an einer Front eine erfolgreiche Schlacht geschlagen, tauchten die bösen Geister sofort wieder an einer anderen Stelle auf. Sie ließen uns keine Zeit zum Atemholen.
    »Da vorne geht es ab zu den Western Docks!« Suko zeigte zum Fluß, als wir die Tower Bridge passierten. »Du mußt dich an der Themse halten.«
    Es war eine schmale, kurvenreiche Straße, die sich zwischen meist unbebauten Grundstücken hindurchwand. Ein Trödler und Entrümpler fristete hier sein karges Dasein. Daneben hatte es einmal einen Kinderspielplatz gegeben, der aber mittlerweile verkommen und zugewachsen war.
    »Als ob man gar nicht mehr in der Stadt wäre«, murmelte Suko.
    Er hatte recht. Wohnhäuser standen nur in großen Abständen und wirkten wie übriggebliebene Zähne in einem schadhaften Gebiß. Nachts mußte
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