0056 - Das Ungeheuer von Loch Morar
Mann in den Fünfzigern, gab die letzten Instruktionen. »Wir werden erst das Startzeichen geben, wenn ihr wieder zurückkehrt.«
»Okay.« James O’Connor nickte. Er war ein Sporttyp, hatte flachsblondes Haar, und auf seiner Oberlippe wuchs ein buschiger Bart. Purdy war das genaue Gegenteil ihres Mannes. Klein und zierlich, aber in ihrem Körper steckte eine Kraft, die man ihr kaum zugetraut hätte.
Beim Segeln konnte sie sie immer wieder unter Beweis stellen.
O’Connor hatte bereits in dem kleinen, aber ungeheuer schnellen und schnittigen Rennboot Platz genommen. Auf dem Beifahrersitz nahm seine Frau Platz. James wollte steuern.
Er steckte den Zündschlüssel ins Schloss, drehte ihn, und der Motor kam sofort.
»Ein satter Sound, nicht wahr?«, rief die dunkelhaarige Purdy noch, wurde aber ruhig, als ihr Mann das Gas durchtrat und sie in den Sitz gepresst wurde. Das Boot war sehr leicht gebaut. Manche sagten, zu leicht für die hohe Geschwindigkeit, die es erreichte, und es mussten schon Könner sein, die es steuerten.
James O’Connor war solch ein Könner.
Fest hielt er das Steuerrad umklammert, er wirkte aber trotzdem nicht verkrampft, sondern saß locker im Sitz, auf seinen Lippen lag ein Lächeln. James O’Connor genoss die Fahrt.
Er fuhr einen Bogen und drosselte dabei die Geschwindigkeit ein wenig. Wellen liefen quer an, klatschten gegen den Rumpf, wurden hochgeschleudert, und die Spritzer bedeckten die Sichtscheibe aus Kunststoff über dem Armaturenbrett.
James O’Connor fuhr auf die Startlinie zu. Zwei auf dem Wasser schwimmende Bojen markierten sie. Fast im Leerlauf ließ James O’Connor das Boot heran treiben.
Er schaute zum Ufer zurück und sah, dass Ryan McNeal die Fahne hob. Dann ließ er den Arm sinken.
James gab Gas.
Das kleine Boot vollführte einen regelrechten Satz. Es wurde am Heck tief ins Wasser gedrückt, während sich der Bug hob. Wie ein Ball hüpfte das Boot auf den Wellen, einen langen, weißen Gischtstreifen hinter sich herziehend. Fontänenartig spritzte das Wasser zu beiden Seiten weg. Die Wellen wurden vom Bug zerschnitten, und die in den See fallenden Strahlen der Morgensonne ließen zahlreiche Wellenkämme aufblitzen.
Der Wind hatte nachgelassen. Tiefblau schimmerte der Himmel. Die Luft war zwar kühl, dafür jedoch rein und klar. Herrlich zu atmen. Eine Wohltat für nikotingeschwängerte Großstadtlungen.
Gischtwolken sprühten über das Boot. Sie erinnerten an einen durchsichtigen Schleier. Es störte das Ehepaar nicht, dass es nass wurde. Sie trugen Anoraks, und Purdy hatte sich zusätzlich noch ein Tuch um den Kopf geschlungen. James lachte seine Frau an. »Na, wie gefällt dir das?«, rief er gegen den Motorenlärm an.
»Einfach irre.«
»Und wie.«
Sie rasten weiter. James gab noch etwas mehr Gas. Ganz konnte er das Pedal nicht durchdrücken, dazu war der See nicht ruhig genug. Auch kleinere, querlaufende Wellen hätten es leicht zum Kentern gebracht. James war zwar ein mutiger und ausgezeichneter Rennfahrer, aber er ging nie unter ein gewisses Sicherheitslimit.
Purdy stellte die beiden großen Wischer ein, da die Scheibe zusehends mehr beschlug.
Durch die Halbkreise hatten sie eine gute Sicht.
Sie fuhren etwa auf der Seemitte, durchschnitten das Wasser von Osten nach Westen.
Purdy deutete nach vorn. »Dort ist schon die Wendeboje!«, rief sie. »Du hast es in Rekordzeit geschafft. Nimm etwas Geschwindigkeit zurück, James.«
»Okay, okay.«
James wollte es genau wissen. Er fuhr noch voll aus. Das Boot schoss vorwärts und schien über das Wasser zu fliegen. Dann aber ging der Fahrer abrupt vom Gas.
Die Geschwindigkeit trieb Purdy und James nach vorn, dann aber wurden sie wieder zurückgedrückt. Fast gemütlich fuhr das Boot die letzten Yards und näherte sich der knallroten Wendemarke.
Vom Startplatz war nichts mehr zu sehen. Seaground lag in einer kleinen Bucht. Nur weit entfernt auf der anderen Seeseite schimmerten die Dächer von Mallaig, einer anderen Ortschaft. James O’Connor ging hart backbord. Er zog das Boot so scharf herum, dass es fast umkippte und seine Frau einen leisen Schrei ausstieß. »Pass doch auf.«
James lachte nur.
Es war das letzte Mal in seinem Leben, dass er lachte, denn nun befanden sie sich fast genau über der Stelle, wo das Monster lauerte.
James wollte gerade wieder Gas geben, da sie die Wendemarke passiert hatten, als es geschah. Purdy bemerkte es zuerst.
»Moment, James«, sagte sie. »Da, schau…« Sie wies
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