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0055 - Die Nacht der gelben Kutten

0055 - Die Nacht der gelben Kutten

Titel: 0055 - Die Nacht der gelben Kutten
Autoren: Dieter Saupe
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belästigt.
    Von den Hügeln über dem Tropenwald her schrien sich die Schakale mit heiseren Stimmen zu. Tief aus dem dschungelartigen Regenwald drangen die Stimmen der Bären, des fauchenden Leoparden. Einmal stob eine Herde von Wasserbüffeln aus dem Dickicht vor ihnen auf und setzte schnaubend hinunter zum Fluß.
    Die Nacht in den Wäldern aber war die große, lange Stunde der Furcht.
    Das war die Zeit der Dämonen und Furien, die ihr Unwesen trieben, heute wie vor vielen hundert Jahren. Der Urwald läßt sie weiterleben, denn sie finden tausend Verstecke. Sie kennen die verschlungensten und einsamsten Pfade, und sie regieren neben den Tieren der Nacht, denn schon das Nennen ihrer Namen versetzt alle Menschen in panischen Schrecken.
    Sita folgte dem Anführer in wenigen Schritten Entfernung. Mehr als einmal glaubte sie, daß ihr Herz bald stillstehen müsse, wenn die urhaften Laute aus dem Dunkel des feuchten Waldes zu ihnen kamen. Klatschend lösten sich faulende Blätter, die der Regen durchfeuchtet hatte. Und bei jedem Tropfen, der von den schweren Wedeln der Palmen zu Boden fiel, glaubte Sita, im nächsten Augenblick die Beute einer Schlange zu werden. Nach zwei langen, beschwerlichen Stunden war diese Tortur überstanden. Plötzlich öffnete sich der Wald zu einer kleinen Lichtung. Sita glaubte, in der Ferne einen Wasserfall zu hören. Sie wußte nicht, wo sie war. Der Weg hatte so viele Windungen gemacht, daß sie nicht einmal die Himmelsrichtung hätte bestimmen können.
    »Halt!« rief da der Anführer.
    »Was ist?« sagte Batak lauernd.
    »Das Mädchen. Sie darf nichts sehen, sie darf nichts hören.«
    »Ja, richtig. Das ist deine Arbeit, Katiya.«
    Der Anführer kam auf Sita zu, die ängstlich und wie schutzsuchend näher zu Batak trat.
    »Keine Angst«, sagte Katiya. »Die Shuris sind mächtig. Aber sie regieren in einer geheimen Welt. Niemand außer uns engsten Dienern darf wissen, wie sie aussieht, und wo sie liegt. Du darfst deine Ohren nicht gebrauchen, und du darfst deine Augen nicht gebrauchen. Ich werde dich betäuben.«
    »Betäuben?« schrie Sita ängstlich auf und wich noch mehr zurück.
    »Willst du mich schlagen?«
    »Nein. Es geht viel einfacher.«
    Damit langte er in eine verborgene Tasche seines Sharongs, den er unter dem nachgemachten gelben Mönchsgewand trug, und holte ein Fläschchen hervor.
    Er öffnete den Verschluß.
    »Hier!« befahl er dem Mädchen. »Du wirst daran riechen, und du wirst dich wie im Himmel fühlen, so köstlich ist es. Dann werden deine Sinne für eine Stunde vergehen, und ich werde dich mit Batak zum Tempel der Shuris bringen.«
    Da ergab sie sich in ihr Schicksal und holte tief Luft. Tief strömten mit ihrem Atem die gelösten Duftstoffe durch ihre Nüstern und die Atemwege. Und bald mischten sich diese Düfte mit dem Blut und den feinädrigen Nervensträngen. Sie gelangten ins Zentrum ihres Bewußtseins, lähmten Gehirn und Gefühlswelt.
    Sita sank zurück, und Batak fing das stürzende Mädchen in seinen Armen auf.
    ***
    Sita war so leicht wie eine Feder. Geschickt legte sich Batak das Mädchen über die Schulter und ging seinem Anführer voran.
    Bald verschwand er vor dessen Augen in einem dichten Buschwerk. Ein Beobachter hätte noch sehen können, wie er weiter oben, nach einer Viertelstunde etwa, wieder aus dem Dickicht heraustrat.
    Der Anführer Katiya war unmittelbar hinter ihm.
    Dann ging Batak mit seiner leichten Bürde direkt auf den Wasserfall zu, dessen niederstürzende Massen ein donnerndes Geräusch von sich gaben, pausenlos, hart und unerbittlich. Das Donnern des Wasserfalls machte jede Verständigung unmöglich.
    Batak folgte dem Pfad bis dicht an einen Felsvorsprung. Dann schien er direkt in den Wasserfall hineinzugehen. Er verschwand, und Sekunden später war auch von Katiya nichts mehr zu sehen.
    Durch geheime Gänge und unterirdische Stollen erreichten sie den Tempel unter den Wassern.
    Der Große Shuri, wie der Geist des ehemaligen Singhalesenkönigs Shuriwatha genannt wurde, befand sich im Prunksaal. Dort gab es Wände aus reinem gehämmerten Gold.
    Und in jeder dieser Wände waren kunstvolle Marmornischen zu sehen, die mit reinen Rubinen, Saphiren und Diamanten besetzt waren.
    Sita, die Großtochter des Königs Raja, befand sich in dem Raum, wo das Gold ihres Urvaters versteckt gehalten wurde!
    Es war ein Raum, größer als die Andachtshalle des großen Tempels, in dem sie vor wenigen Stunden noch zu Buddha gebetet hatte.
    Überall pures
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