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0047 - Die Geisterfürstin

0047 - Die Geisterfürstin

Titel: 0047 - Die Geisterfürstin
Autoren: Franc Helgath
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badeten und im Takt der Musik auf die Oberfläche des Fluids klatschten. Tropfen spritzten auf, vom Licht eines Intervallblitzers in gespenstische Einzelbilder zerhackt. Ruckartig lief so das Geschehen auf der Bühne ab. Nur der Palasthintergrund blieb zu jeder Sekunde konstant sichtbar.
    Weiche Farben, zerfließende Linien wie aus einem Film von Walt Disney, und trotzdem fehlte dem Bühnenbild jede Märchenhaftigkeit. Es war zu fremdartig und ungewohnt. So, als wäre es nicht auf dieser Erde entstanden, als hätte eine fremde Rasse den Künstlern, die es schufen, den Pinsel geführt.
    Zwei Mädchen stiegen aus dem Bad. Um die Hüften trugen sie nur raffiniert geschnittene Slips. Mit lasziven Bewegungen schritten sie auf einen rot gepolsterten Diwan zu, wo sie sich hinlegten. Einige Männer, wie man sie als Voyeure auch in gewissen Etablissements des Pariser Nachtlebens findet, wischten sich mit Tüchern über die schweißglänzenden Stirnen.
    An den Wänden rund um das Becken standen Eunuchen mit geflochtenen Zöpfen und nackten Oberkörpern. Dünne Malaienbärte hingen an ihren Mundwinkeln herunter. In den fettglänzenden Händen hielten sie blutrote Krummschwerter.
    Da strahlte die Bühne plötzlich grell auf, so dass es nach dem roten Zwielicht vorher fast den Augen schmerzte. Ein geschickter, ein überraschender Effekt.
    Professor Zamorra ertappte sich dabei, wie er wie alle anderen auch unwillkürlich aus seinem Sessel hochfuhr, und musste dann schmunzeln. Über sich selbst und seine Reaktion.
    Das Schmunzeln gefror ihm auf den Lippen.
    Was Yves St. Laurent bisher auf die Bühne gebracht hatte, waren offensichtlich nur Konzessionen an den Publikumsgeschmack gewesen. Doch jetzt griff er in die vollen.
    Es kam Schlag auf Schlag.
    Acht gleich be- oder besser gesagt entkleidete Frauen trugen eine Art Sänfte auf ihren Schultern. Auf der Trage ein offener Thron, auf dem eine wunderbare Frau saß. Die Mädchen auf dem Diwan setzten sich auf und starrten mit angstverzerrten Gesichtern hoch zu dem aus gefärbtem Schilfrohr geflochtenen Thron.
    Der Blick der Frau traf sie eiskalt, von der Elektronik eines ausgetüftelten Beleuchtungssystems wirkungsvoll unterstützt. Metallen gleißte der Körper der Frau auf dem Thron, wie aus Stahl gegossen.
    Grün flackerndes Licht lag auf den beiden Mädchen.
    Trommelwirbel, Sphärenklänge, die sich zu einem jagenden Fortissimo steigerten. Die Trägerinnen stellten den Thron ab. Raubtierhaft gleitend stieg die Frau herab.
    Sie hatte Haare wie Metallspäne, geringelt wie das schlangenbewachsene Haupt der Medusa. Eng beieinander und geschlitzt standen die Augen. Auf dem Kopf trug sie etwas Ähnliches wie einen Helm, auf dem Straußenfedern wippten. Über die Nase zog sich ein ziselierter Schutzbügel. Kräftig und durchtrainiert waren ihre Arme, ihre Schenkel. Ihre Kleidung bestand aus einem superkurzen Rock aus chromglitzernden Laschen, die bei jedem Schritt klirrten und wegen irgendeines technischen Tricks sogar noch das Rasen der Trommeln übertönten, schrill wie der Schrei des mexikanischen Todesvogels.
    An den Hüften war sie von einer Metallkette umgürtet, an der die Scheide eines Krummschwertes baumelte. Golden glänzend wie im ersten Teil der Show war das Schwert, das darin steckte. Jetzt zog sie es heraus.
    Ein bösartiger Zug war um ihren Mund getreten.
    Alle schrien sie gequält auf, als das Schwert einen blitzschnellen Kreis zog.
    Das Publikum raste. So einen vortrefflich ausgeführten Trick hatte noch keiner von ihnen je gesehen.
    Beifall auf offener Bühne unterbrach die Show fast eine Minute lang. In dieser Zeit erhoben sich die beiden Mädchenrümpfe und beugten sich dem Publikum entgegen. Noch stärker brandete der Beifall auf. Er ebbte erst wieder ab, als die Rachegöttin gebieterisch die Hand hob. Zamorra war wohl vielleicht noch neben Bill der einzige, der ihren Namen kannte: Naonda… Die Amazone des Teufels.
    Diese Figur und keine andere stellte die metallschimmernde Frau auf der Bühne dar. Eine Figur aus der kaum ausgeforschten Geschichte Mesopotamiens aus der Zeit vor den Sumerern und Assyrern. Um die 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung alt.
    Naonda…
    Zamorra fühlte, wie seine Hände schwitzten. Seine Nackenhaare stellten sich auf, ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas in der Luft lag. Der Ritus hatte begonnen. Wie er befürchtet hatte, hielt sich St. Laurent an die historischen Vorlagen, soweit sie überhaupt überliefert waren.
    Der erste Teil des
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