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0045 - Die Werwölfe von Wien

0045 - Die Werwölfe von Wien

Titel: 0045 - Die Werwölfe von Wien
Autoren: Friedrich Tenkrat
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normalerweise in der Kanzlei eines Rechtsanwalts. Da sie erst gestern nach einer kleinen Operation, über die sie nicht sprechen wollte, aus dem Krankenhaus entlassen worden war, wollte sie sich bis zum Wochenende noch schonen und am Montag ihre Arbeit wieder aufnehmen.
    Benno lud sie zum Mittagessen ein. Sie sagte nicht nein. Am frühen Nachmittag hörte es zu schneien auf. Das junge Paar spazierte Arm in Arm durch den einsamen, stillen Park von Schönbrunn.
    Benno erzählte von sich: »Ich bin nach Wien gekommen, weil ich meine Eltern suche. Es ist ein eigenartiges Gefühl, das man kaum beschreiben kann, wenn man achtzehn Jahre lang denkt, Eltern zu haben – und dann stellt sich heraus, daß man von fremden Leuten großgezogen worden ist.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Karin.
    »Achtzehn Jahre lang war ich Benno Messmer.«
    »Sind Sie das heute nicht mehr?«
    »Nein. Heute weiß ich, daß Messmer nicht mein richtiger Name ist. Meine Eltern haben mich als Kleinkind weggegeben. An Herrn und Frau Messmer, die mich adoptierten und mir all die Jahre vorspielten, sie wären meine richtigen Eltern. Das hätten sie nicht tun sollen. Sie hätten mir irgendwann mal die Wahrheit sagen müssen.«
    »Vielleicht hatten sie das vor.«
    »Sie hätten sich damit nicht so lange Zeit lassen sollen«, sagte Benno Messmer bitter. »Sie hätten nicht so lange damit warten dürfen, bis ich selbst dahinter kam…«
    »Wie sind Sie dahintergekommen?«
    »Ich habe Briefe gefunden. Briefe von meinen richtigen Eltern, in denen sie sich erkundigten, wie es mir geht.«
    »Wie heißen Ihre richtigen Eltern?«
    »Alban und Edda Tozzer. Eigentlich heiße ich Benno Tozzer.«
    »Das stimmt nicht. Sie wurden adoptiert. Warum haben Ihre Eltern Sie weggegeben?«
    »Darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte Benno ernst. »Seit Tagen irre ich durch diese Stadt. Da, wo meine richtigen Eltern früher gewohnt haben – es ist die Adresse, die auf den Briefen stand –, wohnen sie nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, wo ich sie noch suchen soll.«
    »Ist es so wichtig für Sie, Ihre richtigen Eltern zu finden?«
    »Es ist ungemein wichtig für mich.«
    »Vielleicht sind Sie enttäuscht, wenn Sie Ihnen gegenüberstehen.«
    Benno Messmer knirschte mit den Zähnen. Seine Augen wurden schmal. »Ich weiß, was mich erwartet. Dennoch darf ich dieser Konfrontation nicht aus dem Weg gehen.«
    Karin Stegmann erschrak. Sie hätte diesem sympathischen Jungen niemals soviel Haß und Bitterkeit zugetraut.
    Die Zeit verging wie im Flug. Bald setzte die Dämmerung ein. Plötzlich zuckte Benno Messmer so heftig zusammen, daß das Mädchen ihn besorgt anschaute. Er stöhnte.
    Sein Gesicht verzerrte sich für einen Moment. Er krümmte sich, als hätte er schreckliche Schmerzen.
    Karins Augen weiteten sich. »Mein Gott, ist Ihnen nicht gut?«
    »Schnell!« keuchte Benno. »Schnell, wir müssen den Park verlassen…«
    »Was haben Sie denn?«
    »Ein Schwächeanfall. Machen Sie sich um mich keine Sorgen, Karin. Wenn Sie erlauben, bringe ich Sie jetzt zur Straßenbahn. Sie steigen ein und fahren nach Hause, ja?«
    »Aber… Sie sehen aus, als ob Sie Hilfe brauchen.«
    »Ich weiß, was ich brauche. Bitte, Karin, gehen Sie etwas rascher. Der Anfall wird bald wieder vorbei sein…«
    »Haben Sie das öfter?«
    »Keine Fragen, Karin. Bitte! Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen das alles reichlich seltsam vorkommt, aber ich bitte Sie trotzdem – fragen Sie nicht!«
    Sie eilten aus dem Park. Die Schmerzen schienen immer heftiger zu werden. Benno fing laut zu husten an.
    »Sie sollten einen Arzt aufsuchen!« sagte Karin Stegmann teilnahmsvoll.
    »Ich erhole mich schon wieder. Ohne Arzt. Ganz bestimmt«, sagte Benno. Seine Stimme klang mit einemmal seltsam rau. »Haben Sie Telefon?«
    »Ja.«
    »Darf ich Sie morgen anrufen?«
    »Ja«, sagte Karin Stegmann. Sie erreichten die Straßenbahnhaltestelle. Ein Gelenkwagenzug kam.
    »Auf Wiedersehen, Karin«, sagte Benno Messmer. »Und Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um mich zu machen. Ich ruf Sie an!«
    Das verwunderte Mädchen nickte. Sie stieg in die Straßenbahn. Die automatischen Türen schlossen sich. Die Straßenbahn setzte sich in Bewegung, Karin hob zaghaft die Hand und winkte. Mitleid schimmerte in ihren grünen Augen.
    Benno wandte sich hastig um und hetzte zu seinem Kadett. Er schloß mit zitternden Fingern den Wagenschlag auf und ließ sich ächzend in das Fahrzeug fallen. Eine neue Schmerzwelle durchraste seinen
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