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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser
Autoren: Susanne Wiemer
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die, dass da tatsächlich ein Mensch in Gefahr schwebt und um Hilfe ruft?«
    Lecourbé atmete tief durch. »Und was können wir unternehmen?«
    Zamorra zögerte einen Moment. Er wandte sich Rebecca zu. »Fühlen Sie sich stark genug, um noch einmal zu versuchen, den Ursprung des Rufs zu orten?«
    »Wenn es irgendeinen Sinn hat«, sagte das Mädchen leise.
    »Ich würde versuchen, Sie in eine noch tiefere Trance zu versetzen, Ihren Geist sozusagen loszulösen und ihm zu ermöglichen, den Kontakt in einer anderen, störungsfreien Sphäre aufzunehmen. Der Versuch vorhin war in gewisser Weise ziellos, der Erfolg ein Zufall. Bei einem zweiten Experiment könnte ich von vornherein zielgerichtet vorgehen. Aber Sie wissen selbst am besten, dass es eine außerordentliche psychische Belastung für Sie darstellt.«
    Rebecca nickte. Ihr Gesicht war blass, die Augen sehr groß und sehr dunkel. »Jemand hat um Hilfe gerufen«, sagte sie ruhig. »Er hat mich gerufen. Was ist dagegen eine vorübergehende psychische Belastung?«
    »Danke, Rebecca. Versuchen wir es also noch einmal.«
    Sie nickte nur, ging wieder zu dem Ledersofa hinüber und legte sich nieder. Ihr Blick suchte John Garfield – der junge Mann wirkte blass und erregt, und knetete seine Hände. Zamorra spürte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, und hob fragend die Brauen.
    »Ist es – gefährlich?«, wollte der Junge wissen.
    »Es ist nie ganz ungefährlich. In diesem Fall allerdings kann nicht viel geschehen. Es ist ein lebendiger Mensch, dessen Ruf Rebecca aufgefangen hat und den wir orten wollen – dazu ist es nicht nötig, in irgendeine andere Welt vorzudringen.«
    »Und – sonst?«, fragte John Garfield gepresst.
    Zamorra zuckte die Achseln. Er dachte an seinen toten Freund Gordon Hallinger, der sein Leben geopfert hatte, um die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren. An Philippa Conde, das schöne Medium, dessen Geist nicht mehr zurückgekehrt war aus jenen geheimnisvollen Sphären der Dämonenwelt.
    »Jede Trance ist in gewisser Weise eine Reise ins Unbekannte«, sagte er langsam. »Der Geist des Mediums begegnet Wesenheiten aus anderen Welten, nimmt Botschaften und Strömungen auf. Aber von diesen Strömungen geht auch ein unheimlicher und unerklärlicher Sog aus. Es ist notwendig, all diese Strömungen und Kräfte in jeder Phase eines Experimentes genau zu kontrollieren. Und es ist unabdingbar, den Geist des Mediums jederzeit zurückholen und die Trance aufheben zu können, damit es keine Reise ohne Wiederkehr wird.«
    John Garfield schluckte. Er war noch bleicher geworden.
    »Das habe ich nicht gewusst«, murmelte er. »Mein Gott, ich habe…«
    »Sie haben mit einer großen Gefahr gespielt, ohne es zu wissen«, bestätigte Zamorra ernst. »Das, was Sie eben Party-Experimente nannten, hat schon viel Unheil angerichtet. Aber lassen Sie uns spä- ter darüber reden, einverstanden?«
    Der Junge nickte. Zamorra wandte sich wieder dem Medium zu.
    Mit ein paar Griffen öffnete er die Knöpfe seines Hemdes und nahm das Amulett ab, das um seinen Hals hing.
    Rebecca runzelte die Stirn. Sie sah den silbernen Drudenfuß, den inneren Ring mit den zwölf Tierkreiszeichen, den äußeren Ring mit den geheimnisvollen Symbolen und Hieroglyphen, aber sie stellte keine Fragen. Dass bei einer Hypnose der Blick des Mediums auf einen glitzernden Gegenstand fixiert wurde, war nicht ungewöhnlich – und das Mädchen konnte nicht ahnen, dass es mit dem Amulett noch eine andere Bewandtnis hatte.
    Es war ein Dämonenbanner. Ein magisches Kleinod, das dem Besitzer Macht verlieh – und zugleich eine Verpflichtung auferlegte. So jedenfalls empfand es Professor Zamorra, und seit sein Onkel, Louis de Montagne, ihm mit dem Schloss im Loire-Tal auch dieses Amulett vererbt hatte, nahm er den Kampf gegen die Mächte der Finsternis auf, wo immer sie ihm begegneten.
    Dass der silberne Talisman eine Trance von ungeahnter Tiefe hervorzurufen vermochte, hatte er schon oft erfahren. Langsam ließ er das Amulett an der Kette hin und her schwingen. Rebecca Garcia folgte ihm mit den Augen und lauschte auf Zamorras Stimme.
    »Sie werden unterwegs sein«, sagte der Professor. »Sie werden einen langen Weg zurücklegen, einen langen Weg… Jemand ruft Sie. Sie folgen dem Ruf. – Es ist Charles Maruth, dem Sie begegnen werden. – Maruth. – Maruth …«
    Der Blick des Mediums schien zu verschwimmen.
    Jetzt folgte sie dem Amulett nicht mehr mit den Augen, sondern sah ins Leere, und der
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