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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser
Autoren: Susanne Wiemer
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Inselüberquerung auf eigene Faust warnte.
    Sullivan knallte den Kanister zurück in den Kofferraum.
    Er überlegte, was er jetzt machen sollte. Genau genommen blieb ihm nichts übrig, als sich auf einen sehr langen, sehr beschwerlichen Fußmarsch zu machen, was seiner Gesundheit im übrigen sicher nicht abträglich gewesen wäre – aber das wollte einfach nicht in seinen Kopf.
    Der festgefahrene Wagen fiel ihm ein, an dem er vor ein paar Minuten vorbeigerauscht war.
    Ein alter Volvo mit einer Reifenpanne. Vorhin hatte Will Sullivan dem Wagen nur einen flüchtigen Blick zugeworfen und war weitergefahren, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Insassen vielleicht Hilfe brauchten. Jetzt zögerte er nicht, die Hilfe jener Unbekannten in Anspruch zu nehmen. Sie würden ihm Benzin abgeben, und dafür würde er die nächste Werkstatt benachrichtigen, damit jemand herkam und den Wagen wieder flott machte. Entschlossen griff er nach dem Benzinkanister, schloss sorgfältig den Wagen ab und marschierte los.
    Er brauchte zwanzig Minuten.
    Das war entschieden mehr, als er sonst an körperlicher Bewegung zu leisten pflegte. Sein Atem keuchte, dicke Schweißtropfen rannen über sein feistes Gesicht. Er fluchte über Island, er fluchte über die schlechten Straßen, er fluchte über den Leihwagen – nur über sich selbst fluchte er nicht, obwohl niemand sonst die Schuld an seinem Missgeschick trug.
    Als der Volvo am Straßenrand auftauchte, atmete Will Sullivan auf. Keuchend lehnte er sich an die Kühlerhaube des fremden Wagens, stellte den Benzinkanister ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er sah sich um – aber von dem Fahrer des Volvo war nichts zu sehen.
    Sullivan holte tief Luft.
    »Hallo!«, rief er mit seiner für einen Mann um ein paar Tonlagen zu hohen Stimme. »Hallo! Ist hier jemand?«
    Er bekam keine Antwort.
    Nur der Wind fegte über das Geröllfeld zu seiner Linken. Irgendwo schrien Möwen, und ganz fern war das Geräusch der Brandung zu hören.
    »Blöder Kerl!«, schimpfte Sullivan. »Verschwindet einfach und lässt den Schlitten hier stehen!« Er verzog das Gesicht, schrie noch einmal sein »Hallo« in den Wind, aber das Ergebnis war genauso negativ wie vorher.
    Sullivan blickte sich um. Weit und breit war kein menschliches Wesen zu entdecken, aber in einiger Entfernung machte er eine Art Geröllgrat aus, von dem man vermutlich eine bessere Aussicht hatte. Fluchend kletterte der Dicke über die Steintrümmer, arbeitete sich den Hang hinauf, und als er sein Ziel erreichte, war er von Kopf bis Fuß in Schweiß förmlich gebadet.
    Wieder ließ er die Augen in die Runde gleiten. Das Gelände senkte sich, zwischen den schroffen Basaltfelsen gab es etwas, das Will Sullivan für einen Pfad hielt, obwohl es nichts anderes war als die jetzt ausgetrocknete Rinne, die sonst das Regenwasser aufnahm. Die Fußspuren, die er entdeckte, bestärkten ihn in seiner Ansicht. Ob irgendwo in der Nähe ein Gehöft lag? Ein Gehöft mit Telefon vielleicht, das auch das Ziel des unbekannten Volvo-Fahrers gewesen war? Keuchend und ungeschickt ging der dicke Tourist weiter, und erst als er die tiefste Stelle des Talkessels erreicht hatte, verharrte er erneut.
    Auf allen Seiten stiegen die bizarren schwarzen Lava-Blöcke an.
    Keine Spur von einer menschlichen Ansiedlung! Will Sullivan sah ein, dass er hier keine Hilfe finden würde, und versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, auf welche Weise man Benzin aus einem Tank in einen Kanister leitete.
    Der Trick mit dem Schlauch fiel ihm nicht ein. Ganz davon abgesehen, dass er auch keinen Schlauch zur Hand gehabt hätte. Also würde er wohl einfach den Volvo nehmen müssen. Bedenken hatte er nicht, sich des fremden Wagens zu bemächtigen – dafür fühlte er sich zu sehr als Mittelpunkt der Welt, dem das Schicksal gefälligst alle Steine aus dem Weg zu räumen hatte. Lediglich der Gedanke, den platten Reifen wechseln zu müssen, verursachte ihm Missbehagen – und deshalb sah er sich noch einmal gründlich nach den Fußspuren um.
    Sie verloren sich auf dem schwarzen, staubigen Basalt.
    Aber sie verliefen in Richtung auf eine steil aufragende Felswand – und Will Sullivan kniff die Augen zusammen, als er den großen, bogenförmigen Höhleneingang entdeckte.
    Er ging darauf zu.
    Was irgendjemand dort gesucht hatte, konnte er sich zwar nicht vorstellen – aber schließlich war es eine Tatsache, dass die Spuren von dem Volvo weg, aber nicht wieder zurückführten.
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