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0039 - Das Todesmoor

0039 - Das Todesmoor

Titel: 0039 - Das Todesmoor
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Merchant machte zwei unsichere Schritte. Sein Mund war wie zu einem stummen, anklagenden Schrei geöffnet. Kein Laut entrang sich mehr seiner Kehle. Er verdrehte nach dem zweiten Schritt die Augen und fiel wie ein Holzklotz um.
    Dieser zweite Schock raubte der jungen Mutter beinahe den Verstand.
    Sie wirbelte herum, hetzte aus dem Apartment, stürzte sich – im dünnen, fast durchsichtigen Nachthemd – die Treppe hinunter und stürmte aus dem Haus, das zur Zeit nur von ihr, ihrem Mann und Abel bewohnt wurde.
    Über den kurzgeschorenen englischen Rasen lief eine Gestalt. Ganz in Schwarz. Geschmeidig wie ein Panther. Unglaublich schnell. Und im Arm hielt der Bote aus dem Schattenreich… Abel!
    ***
    Brenda Merchant hatte das Gefühl, ihr Herz würde in der Mitte auseinandergerissen. Sie rannte los. Es war ihr gleichgültig, daß sie fast nackt war. Wer kann in einer solchen Situation an sich selbst denken?
    Mit nackten Füßen jagte sie über den kühlen Rasen.
    Ihr schleierhaftes Nachthemd umwehte ihre gertenschlanke Figur. Sie wirkte irgendwie gespensterhaft, wie sie so über die Wiese hastete. Ihre Füße schienen kaum den Boden zu berühren.
    Ihre Lungen brannten wie Feuer.
    Sie schwitzte.
    Tränen quollen aus ihren Augen. Sie war furchtbar verzweifelt. Dort lief der Kindesräuber mit ihrem Sohn. Im Haus lag Reymond – wie tot. Konnte das Schicksal härter zuschlagen? War das überhaupt noch möglich?
    »Halt!« kreischte die junge Frau. »Stehenbleiben! Bleiben Sie stehen, Sie gottverfluchter Verbrecher!«
    Der Kinderdieb scherte sich nicht um die Mutter des Jungen.
    Er hastete mit federnden Sätzen weiter, auf den Urwald zu. Bald hatte er die ersten Büsche erreicht. Die Blätterwand tat sich kurz auf, nahm ihn auf, verschlang ihn förmlich.
    Er war nicht mehr zu sehen.
    Aber Brenda konnte ihn hören. Sie lief, so schnell sie konnte. »Ich will meinen Jungen wiederhaben!« schrie sie.
    Mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand, warf sie sich in die Buschwand. Dornen stachen in ihr Nachthemd und zerfetzten es. Zweige geißelten ihr Gesicht. Brenda riß sich blutende Schrammen, doch sie spürte es nicht, denn der Schmerz, der in ihrer Brust tobte, war wesentlich schlimmer.
    »Geben Sie mir meinen Jungen zurück!« keuchte die Frau.
    Sie sah den Räuber durch die Dunkelheit rennen.
    »Bitte!« flehte Brenda. »Nehmen Sie mir nicht das Liebste, was ich habe!«
    Der Unheimliche jagte immer tiefer in den Dschungel hinein. Brenda dachte nicht daran, aufzugeben. Sie war entschlossen, dem Kerl bis ans Ende der Welt zu folgen.
    Sie wollte mit Klauen und Zähnen um ihren Jungen kämpfen. Sie hatte keine Angst mehr vor diesem Wesen. Was dieser schwarze Teufel ihr auch immer antun würde, es war ihr egal – wenn sie nur Abel retten konnte.
    Der Kinderdieb blieb unvermittelt stehen.
    Eine flirrende Aura umgab ihn auf einmal. Er wandte sich um. Brenda konnte kein Gesicht sehen, deshalb heftete sie ihre Augen auf ihren Jungen, den der Kerl nach wie vor fest an seinen Leib preßte.
    »Geben Sie ihn mir wieder!« keuchte Brenda. »Sie können mich dafür haben! Ich bin bereit, für meinen Jungen jedes Opfer zu bringen! Jedes!«
    Der schwarze Dämon sagte kein Wort.
    Brenda näherte sich ihm mit ausgestreckten Armen. Sie bettelte mit den Augen um ihr Kind.
    Als sie den Abgesandten des Bösen fast erreicht hatte, prallte ein teuflisches Gelächter gegen sie.
    Im selben Moment begann die Luft zu flimmern, und der Mann löste sich mitsamt dem Kind in Nichts auf.
    »Nein!« kreischte die junge Frau vor Entsetzen. Sie weinte haltlos und sank auf die Knie. »Warum Abel? Warum mußte es ausgerechnet er sein?«
    Niemand antwortete der jungen Mutter auf diese anklagende Frage.
    ***
    »Sollte sich irgend etwas ereignen, was für die Lösung des Falles wichtig sein könnte, rufen Sie uns bitte unverzüglich an, Mr. Tarkowskij«, sagte ich.
    »Natürlich, Mr. Sinclair«, erwiderte der Komponist.
    »Wir wohnen im Castle Hill. Gregory’s Road.«
    »Ich kenne das Hotel.«
    »Entschuldigen Sie nochmals, daß wir Sie so spät noch gestört haben«, sagte ich und erhob mich.
    »Ich bitte Sie, Sie stören überhaupt nicht«, versicherte mir der Russe.
    Auch Suko erhob sich. Wir reichten Glynn Tarkowskij die Hand. Juri Tarkowskij begleitete uns noch nach draußen. Als wir aus dem Haus traten, schlug drinnen das Telefon an.
    Der Russe ging mit uns zu unserem rehbraunen Leih-Cadillac.
    Ich schloß den Wagenschlag auf. Juri Tarkowskij legte
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