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0028 - Insel der Seelenlosen

0028 - Insel der Seelenlosen

Titel: 0028 - Insel der Seelenlosen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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ich ihn schreien: »Vorwärts! Verdammt noch mal, schneller, ihr faulen Typen! Macht, daß ihr weiterkommt!«
    Ein Gestrüpp verdeckte ihn. Doch einen Augenblick später erblickte ich ihn. Er war schaurig anzusehen. Ein bleicher, hoch gewachsener Knochenmann, der auf einem skelettierten Pferd saß. Er hatte eine Lanze unter seinen Arm geklemmt. Sie glühte, und er stach damit immer wieder auf die ächzenden Seelen ein.
    »Vorwärts!« brüllte er. »Schneller! Schneller! Der Höllenfürst erwartet euch!« Er wird sie nicht kriegen! dachte ich grimmig.
    Die ersten Seelen waren noch etwa fünfzehn Meter von jener flimmernden Kugel entfernt. Sie durften das Höllentor nicht durchschreiten, sonst gab es kein Zurück mehr für sie, sie wären rettungslos verloren gewesen.
    »Weiter!« schrie der Bote aus der Hölle. »Macht schon, ihr verdammtes Pack!«
    Ich riß den Hexenstab aus meinem Gürtel. Seine übernatürliche Kraft verjagte die bleierne Müdigkeit aus meinen Gliedern. Ich rannte zum Ufer hinunter. Die erste Seele erreichte in diesem Augenblick das transzendentale Tor.
    »Halt!« rief ich, so laut ich konnte. Gleichzeitig richtete ich den Hexenstab auf die flimmernde Kugel und schrie einen Bannspruch, mit dem ich eine Wirkung erzielte, die mich verblüffte.
    Der flimmernde Ball zerplatzte mit einem schrillen Geräusch. Das Tor ins Jenseits war geschlossen. Als der Höllenbote das sah, stieß er einen derben Fluch aus.
    Er riß seinen knöchernen Klepper herum und kam auf mich zugesprengt. Er schrie, kreischte und heulte. Er senkte die glühende Lanze, mit der er mich durchbohren wollte.
    Klappernd kam der Knochenmann auf mich zu. Ich zeichnete mit dem Hexenstab ein Pentagramm in die Luft. Der Drudenfuß stand leuchtend vor mir. Jede einzelne Linie strahlte so hell, daß ich davon fast geblendet war.
    Ich sah die rot glühende Lanze auf mich zurasen, regte mich nicht, wartete eiskalt ab. Erst im allerletzten Moment warf ich mich mit einer geschmeidigen Bewegung zur Seite.
    Der Höllenbote stach mit seiner Glutlanze mitten in das Pentagramm. Daraufhin schmolz die Waffe zischend, und ihr Ende wurde dem Skelettreiter kraftvoll aus dem Arm geprellt.
    Dabei verlor er das Gleichgewicht. Er fiel von seiner Schindmähre die gegen den leuchtenden Drudenfuß prallte, grell aufwieherte, sich zuckend aufbäumte und sich mit dem Erlöschen des Pentagramms von einer Sekunde zur anderen auflöste.
    Der Knochenreiter sprang mit einem weithin hörbaren Wutgeheul auf die bleichen Skelettbeine. Er raste knarrend und klappernd auf mich zu. Seine Knochenhände schossen auf meine Kehle zu.
    Ich schlug mit dem Hexenstab um mich. Getroffen brüllte mein Gegner auf. Ich setzte nach, als seine Arme nach unten zuckten. Der Hexenstab landete mehrmals kurz hintereinander auf dem Totenschädel meines Gegners.
    Er war meinen ungestümen Angriffen nicht gewachsen und ging beim nächsten Treffer in die Knie.
    Heute weiß ich, daß ich damals einen Fehler gemacht hatte, aber ich hatte mir in der kurzen Zeit keine Taktik zurechtlegen können.
    Jetzt lag der Höllenbote auf dem Rücken und war mir ausgeliefert.
    Mehr glaubte ich, vom Schicksal nicht verlangen zu können. Nun mußte ich den Höllenboten für immer vernichten. Wie einen Dolch griff ich den Hexenstab und stach zu.
    Sein Todeskampf währte nur wenige Augenblicke, dann war es vorbei mit ihm. Als er sich vor meinen Augen in gelb dampfende Schwaden auflöste, die der Wind erfaßte und auseinander riß, atmete ich erleichtert auf.
    Erst danach bemerkte ich, daß sich mit dem Höllenboten auch der schwarze Hexenstab aufgelöst hatte. Ich hätte mich von ihm nicht trennen sollen. Er wäre eine äußerst brauchbare Waffe gegen meine zahlreichen Feinde gewesen.
    Wenn der Hexenstab in meinem Besitz geblieben wäre, hätte ich die Reihen meiner Gegner noch wirksamer als bisher lichten können. Aber Maeves Stab war verschwunden. Daran war nun leider nichts mehr zu ändern.
    Ich erhob mich.
    Als ich die Seelen der unglücklichen Opfer von Roxano auf mich zukommen sah, war mir klar, daß ich trotz allem nichts zu bereuen hatte. Mir war ein beispielloser Sieg über die Mächte des Bösen geglückt.
    Ich hatte allen Grund, mich darüber zu freuen.
    ***
    Ich brachte die Seelen zu jener Senke zurück, in der Roxanos Opfer immer noch teilnahmslos auf dem Boden hockten. Es kam zur Wiedervereinigung von Körper und Seele. Die beseelten Leiber verloren ihre Transparenz.
    Sie erhoben sich.
    Jane Collins
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