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0025 - Der Satansdiener

0025 - Der Satansdiener

Titel: 0025 - Der Satansdiener
Autoren: Susanne Wiemer
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entschlossen. Die Lippen lagen aufeinander, und die grauen Augen wirkten wie Granit.
    »Ich will es versuchen«, sagte er ruhig. »Erkläre mir, wie ich den Zugang zu jener Welt finde.«
    Alban de Bayard neigte den Kopf. »Gut, Zamorra, Morgen ist Vollmond – komm’ um Mitternacht auf die Burg der Adler. Wenn du mit dem Amulett vier Mal das Kreuz schlägst, in alle Richtungen der Windrose, und dann einen Stein zu deinen Füßen berührst, wird vor dir das Schloss erstehen, wie es früher war. Geh’ hinein. Im großen Saal wirst du zwölf Spiegel finden, aber nur einer dieser Spiegel zeigt dir dein Bild. Tritt hindurch! Jenseits des Spiegels beginnt die Welt, in der ich dich erwarte. Aber ich warne dich. Der Weg nach Avalon ist weit. Ungeheuer bewachen die Insel. Wir werden kämpfen müssen, und ich bin nicht sicher, dass wir siegen…«
    »Ist man das je, Alban?«
    »Du hast Recht. Ich werde dich um Mitternacht erwarten. Aber überlege gut, Zamorra.«
    Für einen Moment blieb es still. Das Gesicht des Professors glich einer Maske.
    »Ich habe bereits überlegt«, sagte er ruhig. »Ich werde kommen.«
    Alban de Bayard hob die Hand zu einem stummen Gruß. Zamorra erwiderte die Geste, wandte sich ab, und eine halbe Minute später hatte er die Gruft wieder verlassen…
    ***
    »Merde!«, schimpfte der Mann. »Mist, verdammter! Der Reifen!«
    »Aber Charles…«, begann seine Frau vorwurfsvoll. Charles Latour winkte ab. Es gelang ihm gerade noch, den holpernden Wagen von der Straße weg in einen Waldweg zu ziehen. Wütend stellte er den Motor ab und stieg aus, um sich den Schaden anzusehen.
    Germaine Latour verließ ebenfalls den Wagen. Sie war eine hübsche, dunkelhaarige Frau Mitte dreißig, modisch gekleidet, mit Mannequin-Figur und einem gebändigten Afro-Krauskopf. Ihr Mann hatte bereits die Vierzig überschritten – ein Magertyp mit Fettansatz um die Hüften, von Erfolgszwang geplagt und infarktgefährdet.
    Während er den vollkommen platten linken Vorderreifen des stratosilbernen Renault 16 betrachtete, zündete er sich eine der schwarzen Zigaretten an, die ihm der Arzt schon vor Monaten verboten hatte.
    Germaine erschien neben ihm und zog sich die Fuchsfelljacke um die Schultern. Sie fröstelte – die Frühlingsnächte waren noch empfindlich kühl. »Und nun?«, fragte sie mit einem Blick auf den kaputten Reifen.
    Charles zuckte die Achseln. Er hatte die Wahl, das Rad entweder selbst zu wechseln oder etwa zwei Kilometer zu Fuß bis zur nächsten Telefonzelle zu gehen, und keine der beiden Möglichkeiten behagte ihm sonderlich. Er fluchte noch einmal ausgiebig, dann entschied er sich dafür, eigenhändig zum Wagenheber zu greifen. Irgendwann hatte er das schließlich mal gelernt – und wenn es sich schon nicht umgehen ließ, das warme Auto zu verlassen, wollte er wenigstens Germaine ein bisschen imponieren.
    Er stand vor der geöffneten Kofferraumhaube und ließ seinen Blick auf der Suche nach dem Werkzeug schweifen, als er die Schritte hörte.
    Überrascht sah er sich um. Eine hoch gewachsene hagere Gestalt erschien zwischen den Bäumen auf dem Waldweg. Charles Latour wunderte sich, da er nicht gewusst hatte, dass es in der Nähe Häuser gab, doch im Moment spielte das keine Rolle. Er hoffte lediglich, dass der Fremde genug von Autos verstand, um ihm bei dem Radwechsel zur Hand gehen zu können.
    Auch Germaine sah dem Mann entgegen. Sie schauderte leicht zusammen – irgendetwas Unheimliches schien von ihm auszugehen.
    Er war dunkel gekleidet – ein weiter schwarzer Umhang bauschte sich um seine Schultern, ähnlich den blauen Pelerinen, die die französischen Flics bei Regenwetter trugen. Das Gesicht war schmal, der Mund fast lippenlos. Scharf vorspringende Wangenknochen und eine gebogene Nase beherrschten die Züge, und unter buschigen, leicht schräg gestellten Brauen funkelten die bernsteingelben Augen tief in den Höhlen.
    Germaine zog unwillkürlich die Pelzjacke enger über der Brust zusammen. Neben ihr produzierte Charles ein gezwungenes Lächeln.
    Der Kerl, der da auf sie zukam, war wahrlich ein Ausbund an Hässlichkeit – aber daran sollte die Zusammenarbeit nicht scheitern.
    Zwei Meter vor dem Renault blieb der Hagere stehen.
    Sein Blick glitt über den defekten Wagen und die beiden Menschen.
    An dem breitschultrigen, gut gekleideten Geschäftsmann blieb er hängen – und Charles Latour wurde bewusst, dass sein höfliches Lächeln zu einer Grimasse gefror.
    »Bonsoir, Monsieur«, sagte er flach.
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