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0024 - Bestien aus dem Schattenreich

0024 - Bestien aus dem Schattenreich

Titel: 0024 - Bestien aus dem Schattenreich
Autoren: Susanne Wiemer
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später saß er Serge Didier in dessen Büro gegenüber.
    Der Kommissar fasste sich kurz. »Diesmal ist das Opfer der Erpressung Ives Javel, der Besitzer einer Nachtclub-Kette«, berichtete er. »Javel ist halb wahnsinnig vor Angst. Als er den Anruf des Erpressers bekam, war die Nachricht von dem Mord an Pierre Colombe schon durch sämtliche Nachrichtensendungen gelaufen und…«
    »Wieso das?«, fiel ihm Zamorra ins Wort.
    Didiers Gesicht wurde hart. »Weil ein anonymer Anrufer die gesamte Presse alarmierte, Professor. Aller Wahrscheinlichkeit handelte es sich um den so genannten Herrn der Wölfe selbst. Er legt Wert auf Publizität. Er will, dass seine Verbrechen bekannt werden, damit keines seiner Opfer es mehr wagt, ihm Widerstand entgegenzusetzen.«
    »Und wie viel verlangt er diesmal?«
    »Hunderttausend Francs. Er steigert sich allmählich. Das Geld soll um Mitternacht am Quai de Grenelle übergeben werden, also praktisch mitten in der Stadt.«
    »Und wie stellt er sich die Übergabe vor?«
    »Er will offenbar selbst auf der Szene erscheinen, ganz einfach kommen und Javel das Päckchen abnehmen. Er muss sich sehr sicher fühlen.« Didier zögerte und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. »Vermutlich kann er das auch«, fuhr er fort. »Wenn er die Wölfe zur Hilfe ruft, kann keiner von uns etwas gegen ihn ausrichten.«
    »Das war bis heute so«, sagte Zamorra ruhig. »Jetzt hat es sich ge- ändert.«
    »Sie haben…«
    Der Professor nickte. »Ich habe eine Waffe gegen die Wölfe gefunden. Eine Waffe, von der ich hundertprozentig sicher bin, dass sie wirken wird.« Und nach einer Pause: »Wir müssen dem Burschen heute Nacht eine Falle stellen.«
    Didier nagte an der Unterlippe.
    Seine Stimme klang tonlos. »Und wenn Sie sich irren, Professor? Wenn diese Waffe doch nicht wirkt? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich vertraue Ihnen. Aber ich trage die Verantwortung für das Leben Hunderter ahnungsloser Bürger.«
    Zamorra nickte wieder.
    »Selbstverständlich, Commissaire. Ich bin genauso wenig wie Sie gewillt, mitten in der Stadt am Seine-Ufer ein Schauspiel zu inszenieren, das möglicherweise endgültig zu einer Panik führt. Mein Vorschlag ist es, sämtliche Bedingungen des Erpressers zunächst einmal zu erfüllen. Ich werde ihn dann verfolgen. Und ich werde ihn dort stellen, wo kein Unbeteiligter durch den Kampf gefährdet wird.«
    Didier nagte weiter an der Unterlippe. Er sah erschöpft aus, und dunkle Ringe lagen unter seinen Augen.
    »Professor, ich muss Ihnen noch einmal sagen, dass Sie in keiner Weise verpflichtet sind…«, begann er.
    »Ich bin verpflichtet, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um diesem Spuk ein Ende zu machen«, sagte Zamorra ruhig. »So wie es jeder Mensch in meiner Lage wäre. Oder sind Sie anderer Meinung?«
    Serge Didier atmete tief durch.
    »Nein, Professor«, sagte er. »Sie haben Recht. Ich hoffe nur, es wird gut gehen…«
    ***
    Jean Calmat hockte auf einem Stein und rauchte eine Zigarette.
    Er kauerte reglos da, leicht nach vorn gebeugt. Vor ihm fiel der Hang ab, sein Blick hing an den dunklen, unsteten Schatten in der Mulde zu seinen Füßen. Die Wölfe streunten umher. Sie waren unruhig heute. Unruhig und ausgehungert. Calmat lächelte schmal, und in seine Augen trat ein teuflisches Funkeln.
    »Still!«, zischte er – und sofort schienen die schattenhaften Gestalten dort unten zu Stein zu erstarren.
    Calmat nickte zufrieden.
    Sie gehorchten ihm.
    Sie würden ihm immer gehorchen. Und eines Tages, wenn er genug Geld an sich gerafft hatte, um für alle Zeiten sorglos zu leben, würden sie auch zurück in ihre Höhle gehen, und er würde die Tür wieder schließen.
    Aber das hatte Zeit.
    Noch war es nicht so weit. Noch standen auf Calmats Liste die Namen von einem Dutzend Männern, die er erpressen wollte. Und ab und zu, das wusste er, würde er den einen oder anderen von den Wölfen zerreißen lassen müssen, damit die anderen nicht aufhörten, Angst zu haben.
    Calmats Gesicht war voll wilden Triumphes, als er von dem Stein aufstand und zu der Schneise hinunter glitt, wo sein Wagen parkte…
    ***
    Ives Javel war ein großer, dürrer Mann mit spitzem, bleichem Gesicht, hellblondem Haar und farblosen, rotgeränderten Albinoaugen.
    Dass er eine florierende Nachtclub-Kette besaß, die ›Butte Sacrée‹, die heilige Kuppe des Montmartre beherrschte und sein Vermögen nach Millionen zählte, sah man ihm nicht an. Zumindest jetzt nicht, denn die Angst hatte ihm
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