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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß
Autoren: Horst Friedrichs
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Gutgelaunt machte er sich auf den Weg ins Dorf. Die Wagenfurchen führten schräg zur Böschung hinauf und dann geradewegs auf die niedrigen, gedrungen wirkenden Fachwerkhäuser des Dorfes zu. Als Robert den Ortsrand erreichte, begannen die Kirchturmglocken zu läuten. Richtig, morgen war Sonntag. Ein Tag Arbeit und dann gleich Sonntag.
    Robert lächelte bei dem Gedanken. Auf dem Hof hatte es kein Wochenende gegeben, keinen geregelten Feierabend, nichts dergleichen. Er war schon fein heraus.
    Sein Haus stand am Rand des großen Hofplatzes, der seinem Bruder gehörte. Ein kleines Fachwerkhäuschen mit nur vier Zimmern.
    Früher hatten die Tagelöhner darin kampiert. Für Robert und seine Familie reichte es. Er zahlte keine Miete, hatte ein anständiges Dach über dem Kopf. Alles andere war ihm unwichtig.
    Marie, seine Frau, stand am Herd, als er die Küche betrat. In der Pfanne brutzelten Kartoffeln mit Speck und Eiern. Wie jeden Abend.
    Marie war dunkelhaarig, einen Kopf kleiner als Robert und das, was man mollig nannte. Er hatte es nie anders haben wollen. Er mußte zupacken können, richtig zupacken.
    Marie wandte sich um, sah ihn aus ihren dunkelbraunen Augen an. Er las Besorgnis darin. »Chéri!« rief er unwillig und legte die riesigen Hände auf ihre Oberarme. »Irgend was stimmt mit dir nicht. Hölle und Teufel, ich bin so froh wie noch nie, und du hast krumme Gedanken! Was ist? Heraus damit! Mach’ mir nichts vor!«
    Sie senkte den Kopf, biß sich auf die Unterlippe.
    »Es ist…«, murmelte sie stockend, »es ist … nur ein Gefühl, Robert. Eine schlimme Ahnung. Ich kann es dir nicht erklären …« Sie blickte ihn wieder an. »Du mußt mir etwas versprechen! Bitte!«
    »Alles, was du willst!« lachte er.
    »Geh’ heute abend nicht mehr aus dem Haus.«
    »Warum sollte ich?« entgegnete er mit leiser Entrüstung. »Du weißt genau, daß ich nicht zu den Thekenstehern gehöre!«
    »Das meine ich nicht, Chéri. Du mußt heute abend hierbleiben. Ich habe Angst um dich. Wenn du das Haus verläßt…«
    Er lachte erleichtert. »Wenn es nur das ist! Den Wunsch erfülle ich dir gern. Aber eines sage ich dir: höre nicht auf das verdammte Gerede! Ich merke genau, daß sie dir zugesetzt haben, als ich nicht da war. Es ist alles Unsinn, verstehst du!«
    Marie schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich habe mit niemandem geredet, außer mit den Kindern. Den ganzen Tag über hatte ich genug im Haus zu tun.«
    Robert runzelte die Stirn.
    »Wie kommst du dann auf diese verrückten Gedanken?«
    »Es ist eine böse Ahnung, Chéri, wirklich! Selbst wenn ich es wollte, könnte ich es dir nicht erklären. Es ist ein Gefühl, als ob jemand einen Drohbrief geschickt hätte und ankündigte, dich zu erschiessen, sobald du das Haus verläßt. Ja, so ein Gefühl ist es…«
    Zum zweiten Mal an diesem Tag spürte Robert Levin, wie ihm ein Schauer über den Rücken rann.
    Aber das vergaß er rasch wieder, als er mit Marie und den beiden Jungen am Abendbrottisch saß.
    ***
    Nur gedämpft war das monotone Rattern der Räder zu hören. Die luxuriösen Waggons des Zuges schwangen kaum merklich in der Federung. Draußen herrschte Dunkelheit. Vereinzelt huschten Lichter, vorüber. Der Schnellzug Paris-Lyon jagte durch das dünn besiedelte Gebiet westlich von Auxerre.
    Professor Zamorra und Bill Fleming hatten ein komfortables Liegewagenabteil erster Klasse gemietet. Vor ihnen auf dem Klapptisch schwappte Cognac in funkelnden Gläsern. Bill verzichtete auch diesmal nicht auf Eis und Soda.
    Gähnend legte er die neueste Ausgabe der ›New York Times‹ beiseite, die er auf dem Bahnhof in Paris gekauft hatte.
    »Ich freue mich auf ein richtiges Bett«, seufzte er, »hoffentlich kennt man in diesem Nest an der Rhône schon Möbelstücke, die wenigstens entfernt an ein menschliches Schlaflager erinnern.«
    »Wenn du Pech hast, schläft man dort auf Holzpritschen«, lachte Zamorra.
    »Acht Stunden im Flugzeug«, rechnete Bill nach, »vier Stunden Aufenthalt in Paris, und jetzt noch mal sechs Stunden Bahnfahrt. Morgen werde ich vor Müdigkeit umfallen.«
    »Wir befinden uns in einem Liegewagen«, erinnerte ihn Zamorra, »du kannst dich langmachen.«
    »Das werde ich auch tun. Ehrlich gesagt, mir hätte es besser gefallen, mit dem Auto zu fahren. Unterwegs in einer gemütlichen französischen Auberge übernachten, Rotwein, deftiges Essen und ein anständiges Bett…«
    »Soranges wird dich für alles entschädigen.«
    »Bist du sicher?«
    »Wenn man
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