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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß
Autoren: Horst Friedrichs
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irgendwo etwas von Gemütlichkeit versteht, dann in der ländlichen Gegend an der Rhône.«
    Bill ließ sich einen Schluck gewässerten Cognac durch die Kehle rinnen. Er setzte das Glas ab und sah den Freund ernst an.
    »Woher willst du eigentlich wissen, daß dich der Briefschreiber aus Soranges nicht auf den Arm genommen hat? Ich meine, es könnte doch sein, daß dich die Leute dort nur ausnutzen wollen.«
    »Ausnutzen? Wie sollten sie das anstellen?«
    »Ganz einfach. Sie erfinden eine Spukgeschichte. Dann lassen sie dich kommen und mobilisieren gleichzeitig Presse, Rundfunk und Fernsehen. Danach hat das Dorf den Rummel, den es braucht, um aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. Es wäre nicht der erste Ort, der aufgrund von Spuklegenden zum Touristenziel wird.«
    Professor Zamorra lächelte hintergründig. »Wenn es so wäre, wie du sagst, wäre ich gar nicht erst losgefahren.«
    Bill Fleming sah ihn verblüfft an.
    »Du kannst doch gar nicht wissen, was wirklich dahintersteckt.«
    »Doch, ich weiß es.«
    »Mach’ mich nicht verrückt. Du redest mir nicht ein, daß du hellseherische Fähigkeiten hast.«
    »Keineswegs, Bill. Ich spüre einfach, daß hinter der Geschichte von Soranges Zusammenhänge stehen, die mit menschlicher Logik nicht zu erklären sind.«
    »Dagegen gibt es keine Argumente«, seufzte Bill, »nur eines würde ich gern wissen: glaubst du nicht auch, daß übernatürliche Erscheinungen dadurch entstehen, daß derjenige, der sie wahrnimmt dies durch die Kraft seiner eigenen Sinne bewerkstelligt?«
    »Die Theorie ist nicht neu«, entgegnete Zamorra, »und sie ist so falsch wie die meisten Theorien, die von Zweiflern aufgestellt wurden. Denke an Nicole. Sie war lange Zeit überzeugt, daß es für alles, aber auch alles, eine vernunftmäßige Erklärung gebe. Inzwischen hat sie feststellen müssen, daß es wirklich übersinnliche Erscheinungen gibt. Und sie hat sich weder gewünscht, diese Erfahrung zu machen, noch hat sie die Fähigkeiten, sich solche Visionen selbst vorzugaukeln.«
    »Ich weiß nicht recht«, meinte Bill Fleming, »wer ständig in deiner Nähe ist, kann vielleicht gar nicht anders, als eines Tages an Übersinnliches zu glauben. Du hast eine erhebliche Überzeugungskraft, mein Freund.«
    Zamorra winkte ab. »Wir reden in Soranges weiter darüber. Vielleicht wirst auch du dich überzeugen lassen.«
    Bill Fleming schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich kann dir schon jetzt das Gegenteil versichern.« Er gähnte herzhaft und leerte sein Glas. »Aber ich denke, wir sollten die Diskussion für heute abbrechen. Die Gedanken werden träge, wenn man müde ist.«
    Professor Zamorra blieb noch wach. Er schaltete das Licht im Abteil aus, nachdem sein Freund aus dem Waschraum zurückgekehrt war und es sich in der oberen Koje gemütlich machte. Schon nach wenigen Minuten zeigten tiefe, regelmäßige Atemzüge an, daß Bill den verdienten Schlaf fand.
    Zamorra blickte in die Finsternis der nächtlichen Landschaft hinaus. Nur vereinzelte Lichter huschten vorüber. Die Räder des Zuges ratterten monoton, ließen ihr ehernes Singen jeweils für einen Moment anschwellen, wenn der Zug eine Brücke oder einen kurzen Tunnel passierte.
    In den frühen Morgenstunden würden sie in Lyon eintreffen. Dort stand ein Mietwagen bereit, den der Professor telefonisch vorbestellt hatte. Etwa hundert Kilometer waren es von Lyon bis nach Soranges.
    Soranges…
    Zamorra lehnte sich zurück. Die sanfte Federung des luxuriösen Eisenbahnwagens und die weichen Polster des Sitzes vermittelten ihm ein Gefühl des Dahinschwebens. Das ständig gleichbleibende Fahrgeräusch tat ein Übriges, um seine Gedanken und seine Empfindungen fortzutragen.
    Professor Zamorra spürte jene feinen Strömungen, die aus seinem Unterbewußtsein kamen und sich mit Macht einen Weg an die Oberfläche seiner Gedanken bahnten. Es war das Gefühl einer drohenden Gefahr, das sich in diesen Gedanken äußerte. Obwohl es sich mit jedem Kilometer, den das Dorf Soranges näherkam, verstärkte, ließ sich diese Empfindung noch nicht konkretisieren.
    Zamorra brauchte alle innere Stärke, um seine aufkeimende Ungeduld zu bezwingen.
    Ihn befiel die quälende Ahnung, zu spät zu kommen.
    ***
    »Hooool’ über… hooool’ über …«
    Die Stimme kam aus der Dunkelheit, schien von den Fluten getragen zu werden. Der Wind zerfetzte die Silben, ließ die Stimme verzweifelt und brüchig klingen.
    »Hooool’ über…«
    Robert Levin blinzelte angestrengt, als
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