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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß
Autoren: Horst Friedrichs
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Spukgeschichten, die aus Urzeiten überliefert wurden. Gerade in einsamen kleinen Dörfern ist so was an der Tagesordnung.«
    »Die Dinge, die du Spukgeschichten nennst«, widersprach Zamorra, »sind meistens Jahrhunderte alt. Es liegt in der Natur der Sache.«
    Bill hatte sich nie recht mit den parapsychologischen Forschungen seines Freundes vertraut machen können. Nach Meinung des Amerikaners gab es für alles eine logische Erklärung. Er glaubte auch jetzt noch an diesen Grundsatz, obwohl ihm Zamorra schon mehrmals Geschehnisse serviert hatte, die sich durch keine Logik der Welt erklären ließen.
    Der Kellner servierte das Hors d’Œuvre.
    Die beiden Freunde konzentrierten sich nun auf ihr leibliches Wohl. Indessen wanderten Zamorras Gedanken immer wieder zu dem kleinen Dorf an der Rhône, das er nur dem Hören nach kannte.
    Eine unbestimmte Ahnung erfüllte den Professor, eine düstere Drohung, die noch unausgesprochen war.
    Zamorras Natur, seine Forschungen und seine Erkenntnisse hatten ihn wachsam gemacht, empfänglich für Stimmungen und Ausstrahlungen, die andere nicht wahrnahmen. Diese besondere Sensibilität war es, die ihn jede Gefahr spüren ließ.
    Und dieses unerklärliche Gefühl befiel ihn, wenn er nur an Soranges dachte. Das Gefühl, einer tödlichen Gefahr gegenüberzustehen, die sich durch nichts zu erkennen gab und sich hinter einer Mauer verhängnisvollen Schweigens verbarg.
    Doch Professor Zamorra wußte, daß er die Kraft besaß, die Mächte der Finsternis aus ihrer geheimnisvollen Welt hervorzulocken und zu vernichten.
    ***
    Sobald die Sonne von Wolken verdeckt wurde, meldete sich spürbar die herbstliche Kälte des Spätnachmittags. Hohe Luftfeuchtigkeit wurde vom Wind über den Fluß getragen. Die sanften Wellen der Rhône kräuselten sich und bildeten winzige Schaumkronen. Dann waren wieder die Sonnenstrahlen da, tauchten das grüne Land in ein freundliches Licht und erinnerten an den Sommer, der schon fast in Vergessenheit geraten war.
    Robert Levin reckte das Kinn gegen den Wind, schob die dunkelgrüne Schirmmütze in den Nacken und ließ seine Gesichtshaut von den letzten Sonnenstrahlen dieses Jahres streicheln. Unter seinen derben Lederstiefeln schwankte der Pontonrumpf der Fähre. Lächelnd ließ Robert seinen Blick über das Land gleiten, das er so sehr liebte wie seine Frau und die Kinder. Sanft geschwungene Böschungen, die sich am Fluß entlangzogen. Sattgrüne Weiden, auf denen schwarzbunte Kühe träge ihre Mäuler bewegten. Stoppelfelder, auf denen noch vor wenigen Wochen Männer und Frauen die Kornernte bewältigt hatten. Buschgruppen und Wäldchen, die wie dunkelgrüne Flecken in der Landschaft lagen. Und drüben, auf der anderen Seite des Flusses, der Kirchturm. Wie ein erhobener Zeigefinger ragte er zwischen den roten Dächern von Soranges in den Himmel.
    Narren, dachte Robert belustigt, alles Narren! Es gibt keinen besseren Job als diesen. Den ganzen Tag über ist man hautnah mit der Natur verbunden. Keine stinkenden Schweineställe ausmisten, nicht auf staubigen Kornböden herumkriechen… haben selber schuld diese Feiglinge, wenn sie den Job ablehnten!
    Nein, Robert Levin kannte keine Angst. Er war ein großer, stämmiger Bursche mit Fäusten, die Schraubstöcken glichen. Vor Zeugen hatte er einmal einen dreijährigen Angus-Bullen mit bloßen Fäusten bei den Hörnern gepackt und in die Knie gezwungen. Das ganze Dorf hatte es noch am gleichen Tag erfahren. Und jetzt wußte ganz Soranges, daß er – Robert Levin – der einzige war, der sich wirklich als Mann fühlen durfte. Es erfüllte ihn mit Stolz. Laut und deutlich hatte er es gestern abend während der Versammlung vor staunenden Ohren verkündet:
    »Jawohl, ich werde den Posten des Fährmanns übernehmen!«
    Noch jetzt dachte Robert mit Wohlgefallen an das atemlose Schweigen, das nach seinen Worten geherrscht hatte. Und dann hatten sie ihn mit Beifall förmlich überschüttet. Diese Idioten! Im Grunde wußten sie nicht einmal genau, wovor sie eigentlich Angst hatten. Roberts älterer Bruder machte da keine Ausnahme. Kein Mensch mochte davon reden, was mit dem alten Jacques Fourcher geschehen war. Alle bekreuzigten sich und preßten die Lippen aufeinander, wenn so was zur Sprache kam.
    Robert Levin verstand es nicht. Was war schon dabei? Der alte Fourcher war der letzte aus seiner Familie gewesen. Dreißig Jahre als Fährmann… klar, daß er den Beruf wie sein Leben geliebt hatte
    … und den Fluß, die Fähre
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