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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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schlanke Gestalt erkennen. Anabel Verton!
    Sie tat das, was er erwartete. Wie eine Marionette, die einem unsichtbaren Zwang gehorcht, hatte sie das Haus verlassen, hatte ohne das geringste Zögern die Straße genommen, die aus dem Ort führte – und Zamorra war sicher, daß sie nicht aus eigenem Antrieb handelte, sondern einem geheimnisvollen Ruf folgte.
    Dem Ruf ihres Herrn.
    Dem Ruf des Mannes, der sie zu dem gemacht hatte, was sie war, der Macht über sie besaß und der sie offenbar dirigieren konnte wie eine lebende Puppe.
    Anabel bewegte sich schnell und gleichmäßig am Straßenrand entlang. Sie hielt sich im Schatten der Bäume, verlangsamte nicht ein einziges Mal ihre Schritte und sah sich nicht ein einziges Mal um.
    Immer näher kam sie Calgaros Schlupfwinkel, und als sie die Abzweigung erreichte, die nach Farlund Castle führte, schlug sie ohne Zögern den schmalen, gewundenen Weg ein.
    Zamorra trat auf die Bremse.
    Rasch brachte er den Wagen zum Stehen und wandte sich Nicole zu.
    »Ich gehe zu Fuß«, sagte er halblaut. »Sie bleiben hier und warten.«
    »Aber Chef, ich…«
    »Sie bleiben hier!«
    Diesmal duldete Zamorras Tonfall keine Widerrede. Nicole biß sich auf die Lippen, nickte dann. Ihr Chef stieg aus, schloß den Wagenschlag hinter sich, und Sekunden später hatte ihn die Dunkelheit zwischen den hohen Douglasfichten verschlungen.
    Er ging eilig über den Weg, bis er Anabel Verton wieder im Blickfeld hatte.
    Danach wurde er langsamer, paßte sich ihrem Tempo an. Das Mädchen bewegte sich erstaunlich sicher, schien Bodenunebenheiten und Hindernisse förmlich zu ahnen. Stetig kletterte sie aufwärts, ein ungewisser Schatten in der Dämmerung, und ein paar Minuten später erreichte sie den großen, mit Unkraut überwucherten Vorplatz von Farlund Castle.
    Die Haustür war aus den Angeln gerissen worden, das sah Zamorra auf den ersten Blick.
    Anabel dagegen schien es nicht zu bemerken. Sekundenlang verharrte sie, dann überquerte sie den Platz. Leichtfüßig lief sie die Treppe hinauf. Zamorra beobachtete, wie sie in der Diele über die Trümmer der Tür hinwegturnte, und im nächsten Moment war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Er folgte ihr.
    Mit zwei Sprüngen nahm er die Stufen, kletterte ebenfalls über die umgestürzte Tür. Die Diele lag im Dunkeln, aber in der Halle brannte Licht, und Zamorra erreichte mit ein paar Schritten den bogenförmigen Durchgang.
    Er blieb stehen, als sei er gegen eine Mauer aus Glas gelaufen.
    Er sah Anabels Rücken.
    Sie stand starr da.
    Sie rührte sich nicht, verharrte wie eine Statue, und die Haltung ihres Kopfes verriet, daß ihr Blick auf den beiden zerfetzten Leichen zu ihren Füßen ruhte.
    Jason und Jeremy…
    Sie lebten nicht mehr.
    Aber sie konnten noch nicht lange tot sein. Eine feucht schimmernde Blutlache breitete sich um ihre Körper aus, und die gräßlichen Wunden ließen keinen Zweifel daran, wem sie zum Opfer gefallen waren.
    Zamorra preßte die Lippen zusammen.
    Befand sich Marric im Haus? Hatte er Calgaro auf irgendeine Weise gefunden? Er mußte geahnt haben, daß sein Todfeind hierher zurückkehren würde. Er mußte…
    Anabel regte sich wieder.
    Nur für Sekunden hatte sie vor den beiden Toten verharrt, nun wandte sie sich um. Sie ging auf die Kellertür zu, schneller jetzt, mit mechanischen, abgehackten Bewegungen. In offensichtlicher Eile stieg sie die Stufen hinunter, sah sich nicht ein einziges Mal um, und Zamorra folgte ihr.
    Ein kahler Gang…
    Ein paar Kellergewölbe, dann der verwüstete Operationssaal.
    Eine der Türen an der linken Seite stand offen. Anabel ging darauf zu, verschwand in dem Raum dahinter. Ein paar Sekunden später trat Zamorra ebenfalls über die Schwelle. Sein Blick erfaßte einen Mauerbogen und Stufen, die in die Tiefe führten – und kaum daß er zwei Schritte gemacht hatte, hörte er den heiseren, gellenden Schrei.
    Er zuckte zusammen.
    Ein dumpfes, wütendes Fauchen hing plötzlich in der Luft. Noch einmal schrie jemand, das Fauchen steigerte sich, wurde zum nervenzerfetzenden Heulen – und Zamorra wußte glasklar, daß dieses gräßliche Geräusch nur eines bedeuten konnte.
    Dämonen!
    Ausgeburten der Finsternis!
    Zamorra kannte diese Höllenbrut, hatte oft genug gegen diese teuflischen Gegner gekämpft. Ihre Stimmen waren ihm vertraut. Er kannte das Fauchen, das Heulen, das vielstimmige Kichern, Zischen und Geifern, er spürte die Wut darin, die Blutgier, die wilde unbändige Besessenheit – und er
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