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0016 - Ich gewann die letzte Runde

0016 - Ich gewann die letzte Runde

Titel: 0016 - Ich gewann die letzte Runde
Autoren: Delfried Kaufmann
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hell war, war es für mich schwieriger, mich im Halbdunkel des Kohlenkellers unbemerkt von meiner Wache von meinen Fesseln zu befreien.
    Ich beschloß jedenfalls, bis fünf Uhr morgens zu warten, und dann, wenn es dämmerte, den Befreiungsversuch zu unternehmen.
    Die Stunden der Nacht tröpfelten dahin. Kurz nach Mitternacht wurde Snake wieder von Stenless abgelöst. Ich lag ganz ruhig, sammelte meine Kräfte und wartete auf den ersten grauen Schimmer über der Mauer.
    Dieser graue Schimmer kam. Es war soweit. Zum zweitenmal schob ich meine gefesselten Hände unter den Pullover, und diesmal holte ich die kleine Nagelschere heraus. Sehr langsam und sorgfältig, ständig von der Angst geplagt, daß ich sie verlieren und daß sie klirrend auf den Steinboden fallen könnte, zwängte ich Daumen und Mittelfinger in die Öffnungen. Wenn ich die Finger der rechten Hand ganz weit zurückbog, konnte ich mit den Scherenspitzen die Fesselung über dem linken Handgelenk berühren.
    Ich probierte so lange, bis das Seil zwischen den Scherenschneiden lag. Dann drückte ich die Schere zum erstenmal zusammen. Der Strick war viel zu dick für die kleine Schere. Wirkungslos glitten die Schneiden ab.
    Ich versuchte es anders herum. Ich stocherte mit den geschlossenen Spitzen in dem Seil herum, um die Fasern aufzulockern und sie dann einzeln zu zerschneiden.
    Als ich soweit war, hörte ich, wie es auf dem Hof lebendig wurde. Ich schob die Schere wieder unter den Pullover und wartete mit angehaltenem Atem, aber niemand kam zu mir. Stenless erhob sich von der Treppe und ging fort.
    Ich hörte Schritte, das Schlagen einer Autotür, das Aufbrummen eines Motors, Brandows tiefe Stimme, die ›Hals- und Beinbruch‹ wünschte, das Quietschen der Angeln des großen Tores und das Wegfahren eines Autos. Wenig später schlugen die Eisenflügel des Tores wieder zusammen.
    Obwohl sich inzwischen das matte Grau über den ganzen Himmel ausgebreitet hatte, war es in dem Kohlenkeller noch so dunkel, daß ich hoffen durfte, meine Bewegungen würden noch nicht erkannt.
    Ich begriff, daß Face mit den für dieses Unternehmen Ausgesuchten bereits abgefahren war, um unbehelligt vor vollem Tageslicht in der Stadt zu sein. Wahrscheinlich würden sie so lange in der Stadt herumgondeln, bis die Bank öffnete, um als erste den Schalterraum zu betreten.
    Ich angelte die Schere erneut hervor und bearbeitete das Seil über dem Handgelenk. Stenless kam noch nicht zurück. Wahrscheinlich besprach er mit Brandow die Aussichten für das Gelingen von Faces Plan. Die Bande hatte mehr Sorgen, als sie zugaben. Meine rechte verdrehte Hand wurde steif von der Anstrengung, und ich fühlte, wie sich ein Krampf anbahnte. Schweißtropfen perlten mir auf der Stirn, aber dann kam das letzte Zusammendrücken der Schere, und das Seil gab nach, als ich die Hände bewegte.
    Im selben Augenblick hörte ich Schritte, die sich dem Keller näherten. Ich drehte mich rasch auf die Seite, zog die Beine an, so daß die Knie meine freien Hände verdeckten, und tat, als ob ich schlief.
    Der Schein einer Taschenlampe traf mich. Brandows Stimme brummte: »Der Kerl hat wirklich Nerven. Ich weiß nicht, ob ich in seiner Lage schlafen könnte.«
    »Viel besser ist unsere auch nicht«, knurrte Stenless. »Wenn ich daran denke, was uns bevorsteht, wenn wir geschnappt werden, vergeht mir der Schlaf.«
    »Face schaukelt die Sache schon«, antwortete Brandow. Er entfernte sich. Ich hörte seine Schritte auf dem Pflaster des Hofes.
    Ich blinzelte unter halb geschlossenen Lidern hervor. Stenless hockte wieder auf der oberen Treppenstufe und sah auf den Hof hinaus. Es war jetzt so hell, daß ich Einzelheiten seiner Kleidung erkennen konnte.
    Wenn ich die Arme zwischen den Knien hindurchschob, konnte ich mit der Schere an die Fußfesseln herankommen. Immer noch auf der Seite liegend, machte ich mich auf diese Weise daran, das Seil um meine Fußgelenke zu zerschneiden. In meiner Ecke war es noch dunkel genug, daß Stenless, falls er den Kopf wandte, kaum etwas bemerken würde.
    Jetzt, mit freien Händen, ging die Befreiung viel schneller vor sich. Knappe zehn Minuten, und die Fußfesseln fielen mit leisem Geräusch. Ich blickte aufmerksam zu Stenless hin, aber der rührte sich nicht.
    Die Oberarmfesseln zu zerschneiden, wagte ich nicht mehr. Das Risiko war zu groß, daß mein Bewacher es bemerken würde.
    Nun, da ich Hände und Füße frei hatte, hinderten sie mich kaum noch, so daß ich hoffen durfte, Stenless
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